Geldpolitik der SNB unter neuen Vorzeichen?

Fritz Zurbrügg, Mitglied des Direktoriums

KOF Prognosetagung, Zürich, 01.10.2015

Nach der Aufhebung des Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) im Januar dieses Jahres hat sich der Franken markant aufgewertet. Ausserdem hat der Negativzins, den die SNB seither für die Girokonten verrechnet, dazu geführt, dass die Zinsen am Schweizer Geld- und Kapitalmarkt weiter gesunken sind, teilweise in den negativen Bereich. Dagegen sind die Hypothekarsätze sogar leicht gestiegen. Auf den ersten Blick scheinen sich damit die Vorzeichen für die Schweizer Wirtschaft und die Geldpolitik fundamental geändert zu haben.

Es ist unbestritten, dass viele Unternehmen und Betriebe unter der Frankenstärke leiden. Die Aufwertung seit 2007 stellt sogar die Aufwertungsschocks früherer Jahrzehnte in den Schatten. Ein starker Franken per se bedeutet allerdings kein neues Vorzeichen für die Schweiz. Zudem ist für die Exporteure die Wirtschaftsentwicklung im Ausland noch entscheidender als der Wechselkurs. Die SNB geht davon aus, dass die internationale Konjunktur weiterhin moderat anziehen wird, unterstützt von der expansiven Geldpolitik und tieferen Rohstoffpreisen. Dies sollte dazu beitragen, die negativen Auswirkungen des starken Frankens auf die Schweizer Wirtschaft zu lindern.

Als Folge des Negativzinses der SNB hat am Geld- und Kapitalmarkt bei vielen Zinssätzen das Vorzeichen gewechselt - aber nur mathematisch betrachtet. Der Negativzins ermöglichte umgekehrt auch eine Rückkehr zu normaleren Verhältnissen; die traditionelle Zinsdifferenz gegenüber dem Ausland hat sich wieder eingestellt. Sie war zuvor fast ganz verschwunden, hatten doch die Zentralbanken der meisten Industrieländer ihren Leitsatz gegen null gesenkt. Die Zinsdifferenz macht den Franken für Anleger weniger attraktiv. Zusammen mit der Bereitschaft der SNB, bei Bedarf am Devisenmarkt einzugreifen, unterstützt der Negativzins somit die weitere Abschwächung des Frankens. Auf diese Weise trägt die aktuelle Geldpolitik der schwierigen Lage der Schweizer Wirtschaft Rechnung.

Trotz des leichten Anstiegs der Hypothekarzinssätze ist der Negativzins kein Mittel zur Bekämpfung der Ungleichgewichte am Schweizer Immobilien- und Hypothekarmarkt. Im Gegenteil: Das aktuelle Tiefzinsumfeld könnte die Risiken für die Finanzstabilität sogar weiter erhöhen. Die sehr tiefen Zinsen könnten erstens Anleger dazu bewegen, vermehrt Immobilieninvestitionen zu tätigen und damit insbesondere die Preise im Segment der Wohnrenditeliegenschaften nach oben zu treiben. Ein zweites Risiko besteht darin, dass Banken mehr langlaufende Kredite vergeben, um dem Margenschwund entgegenzutreten. Dadurch vergrössert sich aber die Fristeninkongruenz und somit die Zinsänderungsrisiken der Bankbilanzen. Drittens könnten Anbieter, die keine Banken sind, im Tiefzinsumfeld den Wettbewerb am Hypothekarmarkt verschärfen. Dies wiederum ginge zulasten der Margen, des Gewinns und letztlich des Eigenkapitals der Banken.