Unabhängigkeit am Rande einer grossen Währungszone: Die Schweizer Erfahrung

Jean-Pierre Roth, Präsident des Direktoriums

Hebrew University, Jerusalem, 28.05.2006

Israel und die Schweiz sind kleine offene Volkswirtschaften, die viele Charakteristiken teilen. Eine wichtige Gemeinsamkeit ist, dass beide Länder zu einem hohen Masse mit der Wirtschaft des Euroraums integriert sind.

Die Schweiz liegt in der Mitte des Euroraumes, und nichtsdestotrotz gibt es gute Gründe für die Entscheidung, den Franken als Währung zu behalten und so die geldpolitische Unabhängigkeit zu bewahren. Erstens erlaubt diese Unabhängigkeit der Schweiz, die durchschnittliche Höhe der Inflation selbst zu bestimmen. Zweitens ermöglicht das Fortbestehen des Schweizer Frankens es der Schweizerischen Nationalbank (SNB), auf landesspezifische Schocks zu reagieren. Drittens kann der Schweizer Zinsvorteil nur existieren, solange die Schweiz ihre eigene Währung hat. Viertens, schliesslich, ist auch ein fixer Wechselkurs gegenüber dem Euro keine Option, weil dies Spekulanten anziehen würde.

Eine wichtige Bedingung für eine erfolgreiche geldpolitische Unabhängigkeit ist, dass die Zentralbank glaubwürdig und finanziell unabhängig ist. Des weiteren müssen die geldpolitischen Ziele und Entscheidungen transparent kommuniziert werden. Schliesslich muss der Devisenmarkt effizient sein, da die Geldpolitik sonst ungewollte Wechselkursfluktuationen auslösen kann.

Seit der Einführung des Euros hat die SNB wiederholt ihre Unabhängigkeit genutzt, um auf Schocks zu reagieren, die für die Schweiz eine grössere Bedeutung hatten als für den Euroraum. Für eine kleine offene Volkswirtschaft mit einer glaubwürdigen Zentralbank ist die Beibehaltung der eigenen Währung am Rande einer grossen Währungszone klar von Vorteil.