Sechs Monate des Zusammenlebens mit dem Euro

Jean-Pierre Roth, Präsident des Direktoriums

Wirtschaftsforum Tuttlingen, Tuttlingen, 25.06.2002

Im Jahre 1992 sprach der damalige Nationalbankpräsident, Markus Lusser, am Wirtschaftsforum Tuttlingen zum Thema «Die Monetäre Integration Europas – Einige Überlegungen aus Schweizer Sicht». Bezüglich der geplanten Währungsunion zweifelte er daran, ob die Mitgliedsländer der zentralen Währungsbehörde auch tatsächlich den unabhängigen Status einräumen würden, der für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik und damit für das Gedeihen einer Währungsunion unerlässlich ist.

Zehn Jahre später steht die europäische Währungslandschaft grundlegend verändert da. Die Europäische Zentralbank geniesst als unabhängige Notenbank hohes Ansehen. Der Euro hat innert kürzester Zeit als Anlagewährung grosse Bedeutung erlangt und ist weiter im Vormarsch. Seit einem halben Jahr ist er auch das physische Zahlungsmittel in 12 EU-Ländern.

Die Einführung des Euro berührt auch die Schweiz in vielfacher Weise. Zunächst hat er das Leben der Schweizer Unternehmen vereinfacht. Das Devisenmanagement ist einfacher geworden und die Gefahr von Währungsturbulenzen, wie man sie vom EWS her kannte, hat abgenommen. Der Euro wird in der Schweiz vermehrt als Zahlungsmittel verwendet werden. Es besteht indessen keine Gefahr, dass er den Franken verdrängen wird. Als Anlage- und Emissionswährung bedeutet der Euro zwar eine verstärkte Konkurrenz, doch bleibt der Franken eine attraktive Diversifikationswährung. Schliesslich dürfte die mit der Einführung des Euro gestiegene Preistransparenz auf dem europäischen Markt auch auf die Schweizer Binnenwirtschaft ausstrahlen und dort die Notwendigkeit für Strukturveränderungen wieder verstärkt ins Bewusstsein bringen.