Geldpolitische Lagebeurteilung September 2025: Zusammenfassung der Diskussion
An der Geldpolitischen Lagebeurteilung vom 23. und 24. September 2025 entschied das Direktorium der Schweizerischen Nationalbank (SNB), den SNB-Leitzins unverändert bei 0% zu belassen. Am 25. September 2025 kommunizierte die SNB ihren geldpolitischen Entscheid der Öffentlichkeit.
Dem Entscheid gingen eine Analyse und Diskussion der geldpolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen voraus. Behandelt wurden u.a. die Lage an den Finanzmärkten, die monetären Indikatoren, die internationalen Rahmenbedingungen, die Wirtschaftslage sowie der Wirtschaftsausblick für die Schweiz.
Den Entscheid fällten Martin Schlegel (Präsident des Direktoriums), Antoine Martin (Vizepräsident des Direktoriums) und Petra Tschudin (Mitglied des Direktoriums).
Neben den Mitgliedern des Direktoriums nahmen am ersten Tag der Lagebeurteilung teil: die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums Attilio Zanetti, Rosmarie Schlup, Sébastien Kraenzlin, Thomas Moser, Vertreterinnen und Vertreter der Bereiche Volkswirtschaft, Geldmarkt und Devisenhandel, Finanzstabilität, Internationale Währungskooperation und Generalsekretariat sowie der Organisationseinheit Kommunikation.
Die abschliessende Beratung vor dem geldpolitischen Entscheid am zweiten Tag führten die Mitglieder des Direktoriums sowie die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums in einem engeren Kreis von Expertinnen und Experten durch. Anwesend waren die Bereichsleiter Volkswirtschaft, Geldmarkt- und Devisenhandel, Finanzstabilität, Internationale Währungskooperation und Generalsekretariat sowie die Leitungspersonen der Organisationseinheiten Geldpolitische Analysen, Prognosen und Analysen Schweiz, Regionale Wirtschaftskontakte, Prognosen und Analysen International, Economic Data Science sowie Kommunikation.
Finanzmärkte
Zum Auftakt berichtete der Bereich Geldmarkt- und Devisenhandel von der Entwicklung an den Finanzmärkten.
Insgesamt war das Bild an den Finanzmärkten im dritten Quartal 2025 von einer tiefen Volatilität geprägt. Die sich abzeichnende Abkühlung des US-Arbeitsmarkts liess die Markterwartungen an eine weitere Lockerung der Geldpolitik in den USA ansteigen. In der Folge sanken die Renditen von US-Staatsanleihen und die US-Aktienmärkte profitierten. Die Ankündigung und Einführung von überraschend hohen US-Zöllen auf Schweizer Warenexporte bewegten den Schweizer Aktienmarkt kaum. Nach einer Phase der starken Abwertung in den ersten Monaten des Jahres stabilisierte sich der US-Dollar auf handelsgewichteter Basis. Für die Lagebeurteilung im September erwarteten die Märkte von der SNB keine Leitzinsanpassung.
Das Direktorium und die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums diskutierten mit den Expertinnen und Experten die divergierende Zinsentwicklung in den USA und der Eurozone. Während an den Finanzmärkten davon ausgegangen wird, dass die Europäische Zentralbank ihren geldpolitischen Lockerungszyklus abgeschlossen hat, wird an den Finanzmärkten erwartet, dass die Federal Reserve den Leitzins weiter senken wird. Auch die geopolitischen Risiken sowie deren potenzielle Auswirkungen auf die monetären Bedingungen in der Schweiz wurden eingehend besprochen. Geopolitische Schocks könnten zu Geldflüssen in Währungsräume führen, die bei den Anlegern als sichere Häfen gelten. Dies könnte eine Aufwertung des Frankens zur Folge haben. Diesem Risiko wirkt aktuell die relativ hohe Zinsdifferenz zum Ausland etwas entgegen. In der Diskussion mit den Spezialistinnen und Spezialisten wurde zudem erörtert, ob die aktuell freundliche Risikostimmung an den Finanzmärkten angesichts der handelspolitischen und geopolitischen Risiken nachhaltig ist.
Monetäre Indikatoren
Der Bereich Volkswirtschaft präsentierte die Analysen zu den monetären Indikatoren.
Im Vergleich zur Juni-Lagebeurteilung gingen die Renditen eidgenössischer Anleihen geringfügig zurück. Der Franken gewann gegenüber dem US-Dollar an Wert, blieb gegenüber dem Euro hingegen relativ stabil. Die Kurse am Schweizer Aktienmarkt veränderten sich nur wenig. Die Wohnimmobilienpreise wuchsen etwas schneller als im Vorquartal. Das Wachstum der breit gefassten Geldmengen und der Hypothekarkredite stieg weiter an.
Die anschliessende Diskussion führte zur Einschätzung, dass unter Berücksichtigung aller verfügbaren Indikatoren die Geldpolitik gegenwärtig weiter stimulierend wirkt.
Das Direktorium und die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums diskutierten auch mögliche Wechselwirkungen zwischen der Geldpolitik und der Finanzstabilität.
Internationale Rahmenbedingungen
Der Bereich Volkswirtschaft präsentierte die Analyse der globalen Konjunkturentwicklung.
Das Wachstum der Weltwirtschaft verlangsamte sich in der ersten Jahreshälfte 2025 etwas. Besonders in den USA war die Entwicklung weniger dynamisch als im Vorjahr. In der Eurozone blieb die Wirtschaftsdynamik verhalten. China verzeichnete dagegen ein solides Wachstum. Die Inflation stieg in den USA über die letzten Monate an. Aufgrund von zunehmenden Abwärtsrisiken für die Beschäftigung wurde die Geldpolitik dort dennoch etwas gelockert. In der Eurozone lag die Inflation nahe am Zielwert, und die Leitzinsen blieben unverändert.
Zudem stellte der Bereich Volkswirtschaft das Basisszenario für die Weltwirtschaft vor, das die Grundlage für die Prognosen für die Schweiz bildet. Die Weltwirtschaft dürfte sich in diesem Szenario in den nächsten Quartalen verhalten entwickeln. Die US-Zölle dürften den globalen Handel bremsen und in den USA die Kaufkraft der Haushalte schmälern. Zudem bleibt die Unsicherheit hoch, was die Investitionen der Unternehmen belasten dürfte. Die Inflation wird in den USA voraussichtlich für einige Zeit erhöht bleiben. In der Eurozone dürfte die Inflation hingegen nahe am Zielwert verharren. Die globale Unsicherheit ist weiterhin hoch. Beispielsweise könnten die Handelsbarrieren weiter zunehmen und zu einer stärkeren Verlangsamung der Weltwirtschaft führen. Gleichzeitig könnte sich die Weltwirtschaft aber widerstandfähiger erweisen als angenommen.
Im Austausch mit den Spezialistinnen und Spezialisten diskutierten die Mitglieder des Direktoriums und die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums verschiedene globale Risikofaktoren, die in einem ungünstigen Szenario für die Weltwirtschaft zum Tragen kommen könnten. Erörtert wurden unter anderem handelspolitische Risiken, die steigende Staatsverschuldung in vielen Regionen der Welt und geopolitische Risiken.
Zudem wurden die Auswirkungen der Zölle auf die Konjunktur in den USA besprochen. Einzelne bilaterale Handelsströme in die USA, beispielsweise aus China, sind durch die Zölle belastet. Insgesamt haben sich die Importmengen in die USA (ohne Gold) aber nur wenig verändert, was vor allem auf die stark gestiegenen Importe von Technologiegütern, insbesondere Halbleitern, aus Asien (ohne China) zurückzuführen ist. US-Unternehmen sind aber wegen der erhöhten Unsicherheit bei den Investitionen zurückhaltender geworden. Vor allem die US-Industrie hat gedämpfte Erwartungen an die künftige Umsatzentwicklung.
Wirtschaftslage Schweiz
Der Bereich Volkswirtschaft berichtete zunächst über die vierteljährlichen Unternehmensgespräche, die die Delegierten für regionale Wirtschaftskontakte der SNB zwischen Juli und September führten.
Dabei zeigte sich, dass die Unternehmen im dritten Quartal mit einem soliden Wachstum rechneten. Haupttreiber waren der Dienstleistungssektor und die Bauwirtschaft. Auch in der Industrie stellten die Unternehmen Anzeichen einer Belebung fest. Diese positiven Tendenzen wurden jedoch von den neu angekündigten Zöllen der USA überschattet. Entsprechend trübten sich die Geschäftsaussichten ein. Vor allem in der Industrie erwarteten die Unternehmen nur bescheidene Umsatzsteigerungen. Zudem verwiesen die Unternehmen im Hinblick auf die US-Handelspolitik auf erhebliche Unsicherheiten.
Das Direktorium und die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums erkundigten sich bei den Expertinnen und Experten nach Details aus den Feedbacks der Unternehmen zu deren Betroffenheit durch die US-Zölle und zu den Schlüssen, die die Firmen daraus ziehen. Dabei zeigte sich, dass rund ein Fünftel der befragten Unternehmen im Gespräch angeben, direkt oder indirekt durch die US-Zölle betroffen zu sein. Diese Firmen stammen primär aus dem Industriesektor, speziell aus der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (MEM-Industrie) und der Uhrenindustrie. Besonders betroffene Firmen beabsichtigen, mit ihren US-Kunden über eine mögliche Aufteilung der durch die Zölle entstehende Belastung zu verhandeln. Einzelne Unternehmen, die über Produktionsanlagen in den USA verfügen, überlegen, in Zukunft die Produktion dort auszuweiten, um den amerikanischen Markt zu bedienen. Ein Grossteil der Firmen wartet aber vorerst ab, in der Hoffnung, dass es mit den USA doch noch eine Einigung und somit tiefere Zollsätze geben wird. Insgesamt dominiert eine hohe Unsicherheit die Gespräche mit den Unternehmen.
Danach gab der Bereich Volkswirtschaft einen Überblick über die jüngste Entwicklung der Konsumentenpreise in der Schweiz. Wie erwartet stieg die Inflation in der Schweiz in den letzten Monaten an und lag ab Juni wieder im positiven Bereich. Zu diesem Anstieg hat insbesondere eine höhere Teuerung im Tourismus und bei importierten Waren beigetragen. Die verschiedenen Masse für die Kerninflation deuten auf eine fast unveränderte zugrundeliegende Inflation hin.
Die Mitglieder und die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums erörterten in der Folge die erhöhte Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Inflation. Als Unsicherheitsfaktoren in der kürzeren Frist wurden neben dem Wechselkurs auch die Entwicklung bei den Mieten sowie bei den Preisen für Tourismus und Gesundheitspflege genannt.
Wirtschaftsausblick Schweiz
Der Bereich Volkswirtschaft präsentierte seine Einschätzung der jüngsten Wirtschaftsentwicklung und das Basisszenario für die Wirtschaft in der Schweiz.
In der Schweiz fiel das Wirtschaftswachstum im zweiten Quartal schwach aus. Die starken Schwankungen im ersten Halbjahr waren vor allem auf die pharmazeutische Industrie zurückzuführen, wo es im zweiten Quartal zu einer Gegenbewegung zum starken Anstieg im ersten Quartal kam. Die Arbeitslosigkeit nahm in den letzten Monaten weiter zu.
Die wirtschaftlichen Aussichten haben sich mit der deutlichen Anhebung der US-Zölle im August eingetrübt. Für das Gesamtjahr 2025 wird weiterhin ein Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 1% bis 1,5 % erwartet. Kommendes Jahr dürfte das BIP aufgrund der höheren US-Zölle und der Unsicherheit aber nur noch mit knapp 1% wachsen. Die Arbeitslosigkeit dürfte in diesem Umfeld weiter zunehmen. Nachdem die Inflation in den letzten Monaten wieder etwas angestiegen ist, dürfte sie in den nächsten drei Jahren weiterhin im Bereich der Preisstabilität liegen. Die Unsicherheit bezüglich der weiteren Inflationsentwicklung bleibt erhöht. Auch die Wirtschaftsaussichten für die Schweiz bleiben unsicher. Hauptrisiken sind nach wie vor die Entwicklung der US-Zölle und der globalen Nachfrage.
Das Direktorium und die stellvertretenden Mitglieder des Direktoriums setzten sich in der Diskussion mit den Expertinnen und Experten eingehend mit den Inflationsaussichten in der Schweiz auseinander. Alle verfügbaren Informationen deuten darauf hin, dass die Teuerung im Bereich der Preisstabilität bleibt. Gegenwärtig muss nicht damit gerechnet werden, dass die Inflation in der Schweiz nachhaltig negativ wird. Der Wirtschaftsausblick für die Schweiz ist jedoch vor allem wegen der US-Handelspolitik mit hohen Risiken behaftet. Insbesondere hätten US-Zölle auf Pharmaprodukte kurz- und mittelfristig eine bremsende Wirkung auf das BIP der Schweiz und würden die Wachstumsaussichten belasten. Das Ausmass dieser Effekte ist aber ungewiss und von verschiedenen Faktoren abhängig. Für die Inflationsprognose werden vor allem grosse Wechselkursbewegungen als Risikofaktor genannt.
Geldpolitischer Entscheid
Zu Beginn des zweiten Tages der Lagebeurteilung rekapitulierte das Direktorium die am Vortag dargelegte Ausgangssituation, die Konjunkturlage und die Szenarien für die internationale und die Schweizer Wirtschaft sowie die Inflationsprognose. Danach fasste der Bereich Geldmarkt und Devisenhandel nochmals die Lage an den Finanzmärkten zusammen, insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung der Geldpolitik am Geld- und Devisenmarkt. Das Direktorium kam zum Schluss, dass die gegenwärtige Umsetzung der Geldpolitik in unterschiedlichen Szenarien zielführend ist und somit beibehalten werden soll.
Anschliessend fasste der Bereich Volkswirtschaft die Ausgangslage für den geldpolitischen Entscheid zusammen. Demnach liegt die bedingte Inflationsprognose über den gesamten Prognosezeitraum innerhalb des Bereichs der Preisstabilität und steigt bis zum Prognosehorizont leicht an. Im dritten Quartal hat die Inflation etwas nach oben überrascht und dürfte in den nächsten Quartalen leicht oberhalb der Prognose vom Juni 2025 liegen. Mittelfristig ist die bedingte Inflationsprognose gegenüber Juni 2025 unverändert. Die mittel- und langfristigen Inflationserwartungen sind weiterhin gut im Bereich der Preisstabilität verankert. Die BIP-Prognose für 2026 wurde etwas gesenkt. Die Erhöhung der US-Zölle wirkt sich nur auf einen Teil der Wirtschaft direkt aus. Es gibt derzeit kaum Anzeichen, dass die negativen Effekte der Zölle von betroffenen exportorientierten Branchen auf andere Teile der Wirtschaft übergreifen. Gegenwärtig ist die konjunkturelle Situation insgesamt trotz der Zölle nicht besorgniserregend. Die meisten Konjunkturindikatoren zeigen weiterhin ein moderates Wachstum an. Die Unsicherheit bleibt aber hoch.
Das Direktorium folgerte aus der präsentierten Faktenlage, dass die Geldpolitik gegenwärtig expansiv wirkt. Zudem wird sich die volle Wirkung der Lockerung der Geldpolitik der vergangenen Quartale erst mit einer Verzögerung entfalten. Angesichts des schwachen Inflationsdrucks und der leicht eingetrübten Wirtschaftsaussichten trägt die expansive Geldpolitik dazu bei, dass die Inflation gemäss der bedingten Inflationsprognose in den nächsten Quartalen ansteigen wird, und unterstützt das Wirtschaftswachstum.
Das Direktorium befand, dass vor diesem Hintergrund eine zusätzliche Lockerung der Geldpolitik nicht angebracht ist. Die Inflationsprognose, und die Wirtschaftsaussichten sprechen dafür, die Geldpolitik nicht zu ändern. Das Direktorium entschied deshalb, den SNB-Leitzins unverändert bei 0% zu belassen. Sichtguthaben der Banken bei der SNB sollen bis zu einer bestimmten Limite zum SNB-Leitzins verzinst werden und der Zinsabschlag auf Sichtguthaben oberhalb dieser Limite soll weiterhin 0,25 Prozentpunkte betragen. Zudem bestätigte das Direktorium seine Bereitschaft, bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv zu sein. Das Direktorium will die Lage weiter genau beobachten und die Geldpolitik wenn nötig anpassen, um sicherzustellen, dass die Inflation mittelfristig im Bereich der Preisstabilität bleibt.