Preis- und Finanzstabilität - ein anspruchsvolles Jahr für die Nationalbank

Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums

115. ordentliche Generalversammlung der Aktionärinnen und Aktionäre der Schweizerischen Nationalbank, Bern, 28.04.2023

Wir leben in äusserst unruhigen Zeiten. Dieses Jahr steht im Zeichen einer Erschütterung im Schweizer Finanzsektor: Die Krise der Credit Suisse und die Übernahme der Bank durch die UBS. Zusätzlich zur Bekämpfung der erhöhten Inflation, die die Nationalbank seit mehr als einem Jahr beschäftigt, leistete sie einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung dieser jüngsten Krise.

Als der erhöhte Preisdruck im Ausland im Verlauf von 2021 sichtbar wurde, hat die Nationalbank den Franken aufwerten lassen, um möglichst wenig Inflation in die Schweiz zu importieren. Das hat dazu beigetragen, dass die Inflation hierzulande weniger stark zugenommen hat. Dennoch stiegen die Preise auch in der Schweiz mehr als erwünscht, wovon zunehmend Waren und Dienstleistungen auf breiter Basis betroffen waren. In solchen Situationen muss die Geldpolitik entschieden eingreifen, um zu verhindern, dass sich die Inflation oberhalb des Bereichs der Preisstabilität verfestigt.

Die Nationalbank hat die Geldpolitik deshalb seit Juni 2022 schrittweise mit Zinserhöhungen und Devisenverkäufen gestrafft. Heute liegt der SNB-Leitzins bei 1,5%, im Vergleich zu -0,75% vor einem Jahr. Zudem hat die SNB 2022 netto Devisen im Gegenwert von 22,3 Mrd. Franken verkauft. An ihrer jüngsten Lagebeurteilung im März hat die Nationalbank betont, die Geldpolitik weiter zu straffen, wenn dies nötig sein sollte.

Während die Gewährleistung der Preisstabilität eine Aufgabe ist, die die Nationalbank mit ihren geldpolitischen Instrumenten allein erfüllen kann, ist die Finanzstabilität eine Verbundaufgabe. Die SNB arbeitet hier eng mit der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht FINMA und dem Bund zusammen. Ist die Stabilität des Finanzsystems bedroht, stellt die Nationalbank illiquiden, aber von der FINMA als solvent eingestuften Banken Notfallliquidität in Form von Krediten zur Verfügung. Dadurch kann sie die Lage beruhigen und Zeit schaffen für die Bewältigung der Krise. Der Bundesrat schliesslich kann Steuergelder zur Stabilisierung der Lage einsetzen.

Ein Zusammenbruch der Credit Suisse hätte im globalen Finanzsystem eine Schockwelle ausgelöst und zu dramatischen realwirtschaftlichen Folgen geführt. In dieser extrem anspruchsvollen Situation war schnelles und entschiedenes Handeln gefragt. Bund, FINMA und SNB arbeiteten unter Hochdruck zusammen, um eine tragfähige und möglichst marktnahe Lösung zur Sicherung der Finanzstabilität und zum Schutz der Schweizer Volkswirtschaft zu finden.

Durch die gefundene Lösung der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS hat sich die Situation rasch stabilisiert. Nun gilt es, den Blick nach vorne zu werfen und Überlegungen für die Zukunft anzustellen.