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Kommunikation – ein wichtiges Element zur Erfüllung des Mandats der SNB

10. September 2025
Martin Schlegel, Präsident des Direktoriums
Tessiner Bankiervereinigung, Vezia

Zusammenfassung

Die SNB legt grossen Wert darauf, Regierung, Parlament und Öffentlichkeit ihr Handeln verständlich zu machen. Die Kommunikation unterstützt sie bei der Erfüllung ihres Auftrags, die Preisstabilität zu gewährleisten. Die Nationalbank nutzt eine Vielzahl unterschiedlicher Kommunikationsmittel wie Referate, Mediengespräche oder Publikationen. Wir haben unsere Kommunikation im Laufe der Zeit angepasst. So haben wir die Frequenz unserer geldpolitischen Mediengespräche verdoppelt und neue Publikationen lanciert. Die SNB entwickelt ihre Kommunikation laufend weiter. Als neues Element veröffentlichen wir eine Zusammenfassung unserer geldpolitischen Diskussionen. Die Zusammenfassung wird die zwei Tage der geldpolitischen Lagebeurteilung umfassen. Sie wird die wichtigsten Punkte der Beratungen im Direktorium enthalten und soll zu einem besseren Verständnis darüber beitragen, wie die SNB ihr geldpolitisches Konzept in der konkreten Situation anwendet.

Meine Damen und Herren

Ich danke Ihnen für die Einladung zu diesem Anlass der Tessiner Bankiervereinigung. Solche Veranstaltungen bieten uns eine wertvolle Gelegenheit, aus erster Hand zu erfahren, was in der Wirtschaft vor sich geht. Für uns ist es nämlich wichtig zu wissen, was vor Ort geschieht. Wie geht der Exportsektor mit den neuen Zöllen um? Welche Finanzinnovationen sind am erfolgversprechendsten? Wie wirkt sich künstliche Intelligenz auf die Art und Weise aus, wie Menschen arbeiten? Um solche Themen besser zu verstehen, sprechen die SNB-Delegierten während des Jahres mit rund 1000 Unternehmen. Zudem besuchen die SNB-Direktoriumsmitglieder regelmässig verschiedene Organisationen und Verbände in der ganzen Schweiz.

Diese Besuche sind für die Nationalbank nicht nur eine wichtige Gelegenheit, die Stimmen von Branchenexpertinnen und -experten sowie der Öffentlichkeit zu hören. Wir können auch erklären, was wir tun und warum. Uns ist es wichtig, dass wir verstanden werden – und zwar nicht nur von Marktexpertinnen und -experten. Diese müssen unsere Geldpolitik und ihre Umsetzung natürlich verstehen. Aber wir legen auch grossen Wert darauf, Regierung, Parlament und Öffentlichkeit unser Handeln verständlich zu machen. Wir wollen transparent sein in Bezug auf unsere Ziele und wie wir sie erreichen.

In diesem Zusammenhang möchte ich heute auf unsere Kommunikation eingehen – wie wir sie im Laufe der Zeit angepasst haben und wie wir sie weiterentwickeln werden.

Entwicklung der Kommunikation im Laufe der Zeit

Früher waren die Zentralbanken deutlich zurückhaltender in ihrer Kommunikation. Bis etwa 1990 waren öffentliche Auftritte selten. Und wenn es dazu kam, blieben die Aussagen oft vage. Es gab die Überzeugung, dass die Geldpolitik wirksamer sei, wenn die Märkte überrascht würden.

Im Jahr 1974 führte die Nationalbank ihre erste Medienkonferenz zur Geldpolitik durch. Wie viele andere Länder war auch die Schweiz kurz zuvor zu einem System flexibler Wechselkurse übergegangen. Gegenüber dem US-Dollar und anderen Währungen war der Frankenkurs deshalb nicht mehr fix und konnte sich rasch ändern. Solche Schwankungen sind in einer kleinen, offenen Volkswirtschaft wie der Schweiz besonders stark zu spüren. Die SNB ging aus diesem Grund vergleichsweise früh dazu über, Medienkonferenzen durchzuführen. Denn es war wichtig, die Märkte regelmässig über unsere geldpolitischen Entscheide zu informieren.

In den letzten Jahrzehnten haben die Zentralbanken eine aktivere Kommunikationspolitik verfolgt. Dieser Wandel spiegelt auch eine breitere gesellschaftliche Entwicklung wider. Heute kommunizieren Regierungen und Unternehmen mehr als in der Vergangenheit. Im Falle von Zentralbanken gründet dieser Trend zur verstärkten Kommunikation auch in der Wirtschaftswissenschaft. Inzwischen wird den Erwartungen nämlich mehr Bedeutung beigemessen. Erwartungen beeinflussen das menschliche Handeln. Wenn beispielsweise mit steigenden Preisen gerechnet wird, fordern Arbeitnehmende höhere Löhne und Unternehmen heben ihre Verkaufspreise an. Eine Verankerung der Erwartungen kann eine solche Dynamik verhindern. Dies bedingt, dass die Zentralbank der Preisstabilität verpflichtet ist und dies klar und glaubwürdig kommuniziert.

Um die Jahrtausendwende änderten viele Zentralbanken ihre Strategie und legten einen expliziteren Fokus auf die Inflation. Die SNB führte 1999 ein neues geldpolitisches Konzept ein. Die Kernelemente haben wir seither beibehalten und bei Bedarf Anpassungen vorgenommen. Unser Konzept legt fest, wie die SNB ihren gesetzlichen Auftrag erfüllt, die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu tragen. Es besteht aus drei Elementen: Erstens definieren wir Preisstabilität als eine Inflationsrate zwischen 0% und 2% pro Jahr. Zweitens publizieren wir anlässlich jeder geldpolitischen Lagebeurteilung eine mittelfristige bedingte Inflationsprognose. Sie dient als Hauptindikator für den geldpolitischen Entscheid und als zentrales Element der Kommunikation. Und drittens setzen wir unsere Geldpolitik über den SNB-Leitzins um, bei Bedarf auch mit zusätzlichen Massnahmen. In diesem Konzept ist die Kommunikation zentral.

Weshalb Zentralbanken kommunizieren

Warum spielt die Kommunikation für uns solch eine zentrale Rolle? Kommunikation hilft uns, die Markterwartungen bezüglich der Zinsen so zu beeinflussen, dass sie der Preisstabilität zuträglich sind. Wenn Sie «Geldpolitik» hören, denken Sie vielleicht an den SNB-Leitzins – und das aus gutem Grund. Nach unseren Lagebeurteilungen drehen sich die Schlagzeilen oft um den SNB-Leitzins. Doch trotz Fokus auf den aktuellen Leitzins hat die Geldpolitik sehr viel mit Erwartungen zu tun. Wie hoch wird die Inflation in Zukunft sein? Wie werden sich die Zinsen entwickeln? Unternehmen und Haushalte richten ihre Entscheide nach diesen Erwartungen. Und diese Erwartungen hängen zum Teil davon ab, wie wir kommunizieren.

Wir können mit unserer Kommunikation unterstreichen, dass wir uns für die Preisstabilität einsetzen. Und wir können erklären, was wir tun, um die Preise in der mittleren Frist stabil zu halten. Wenn wir unsere Verpflichtung zu diesem Mandat klar und glaubwürdig kommunizieren, erwarten die Öffentlichkeit und die Märkte, dass die Inflation langfristig innerhalb dem von uns definierten Bereich der Preisstabilität bleiben wird. Folglich rechnen sie auch mit einem Zinsniveau, das im Einklang mit stabilen Preisen ist.

Nun habe ich Ihnen erläutert, wie uns die Kommunikation hilft, Preisstabilität durch die Verankerung der Inflationserwartungen zu gewährleisten. Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum die Kommunikation von Bedeutung ist. Sie ist ein wichtiger Teil unserer Rechenschaftsablage. Die Bundesverfassung beauftragt die SNB mit der Geld- und Währungspolitik und gewährt ihr Unabhängigkeit. Im Gegenzug zur Unabhängigkeit muss die Nationalbank Rechenschaft ablegen. Wenn wir über unsere Geldpolitik entscheiden, dürfen wir weder von der Regierung noch vom Parlament oder von anderer Seite Weisungen entgegennehmen. Aus diesem Grund müssen wir Rechenschaft ablegen und unsere Entscheide erläutern, damit die Öffentlichkeit über unser Handeln informiert ist.

Bewährte und neue Kommunikationsmittel

Referate wie dieses heute gehören für uns zu den bewährten Mitteln, um unsere Geldpolitik zu erklären. Daneben gibt es zahlreiche andere. So erstattet die SNB der Bundesversammlung regelmässig Bericht. Mit dem Bundesrat erörtern wir die Wirtschaftslage und informieren ihn über unsere Geldpolitik.

Im Rahmen von Mediengesprächen erläutert das Direktorium seine geldpolitischen Entscheide und präsentiert seine Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung. Anschliessend findet jeweils eine Fragerunde statt. Die Mitglieder des Direktoriums geben Interviews und nehmen an Podiumsdiskussionen teil.

Die Nationalbank veröffentlicht eine Reihe von Berichten, darunter den Geschäftsbericht, den Bericht zur Finanzstabilität und das Quartalsheft. Wir publizieren regelmässig Pressemitteilungen. Und auf unserer Website stellen wir umfangreiche Daten, technische Richtlinien und Hintergrundinformationen zur Verfügung.

Parallel zu diesen etablierten Kanälen entwickeln wir auch laufend neue Wege zur Kommunikation unserer Geldpolitik. So haben wir seit 2022 die Frequenz der Mediengespräche verdoppelt und führen nun nach jeder geldpolitischen Lagebeurteilung ein Mediengespräch durch. Letztes Jahr haben wir eine neue Publikationsreihe lanciert, die «SNB Economic Notes». Darin geben unsere Mitarbeitenden Einblicke in aktuelle Themen, die auf ihrer Forschung bei der SNB basieren. Für ein breiteres Publikum haben wir auf unserer Website die Rubrik «SNB erklärt» aufgeschaltet: Dort beantworten wir in verständlicher Form häufig gestellte Fragen zur Nationalbank. Zusätzlich werden wir neu die Folien der Direktoriumsmitglieder publizieren, die sie an externen Anlässen präsentieren. Wir publizieren sie, um die von ihnen angesprochenen Themen darzulegen.

Ich freue mich, Ihnen heute ein weiteres Mittel zur Kommunikation unserer Geldpolitik ankündigen zu können. Ab der nächsten vierteljährlichen Lagebeurteilung werden wir unsere geldpolitischen Diskussionen in zusammengefasster Form publizieren. Die Zusammenfassung wird vier Wochen nach dem geldpolitischen Entscheid veröffentlicht. Sie wird die zwei Tage der geldpolitischen Lagebeurteilung umfassen und unsere Einschätzung der Wirtschafts- und Währungslage darlegen. Diese neue Zusammenfassung wird die wichtigsten Punkte aus den Diskussionen des Direktoriums enthalten. Sie soll das Verständnis verbessern, wie wir unser geldpolitisches Konzept in der konkreten Situation anwenden.

Mit der Veröffentlichung der Zusammenfassung ist die SNB Teil eines internationalen Trends. Für Zentralbanken ist es zum Standard geworden, über ihre geldpolitischen Diskussionen zu berichten. Die Berichte sind dabei auf die jeweilige Zentralbank zugeschnitten. Unsere Zusammenfassung wird den rechtlichen und institutionellen Rahmen sowie die besonderen Verhältnisse der Schweiz widerspiegeln. Das Direktorium der SNB ist – wie der Bundesrat und die Kantonsregierungen – eine Kollegialbehörde. Jedes Mitglied des Direktoriums bringt die eigenen Ansichten ein. Wir besprechen diese und fällen dann einen gemeinsamen Entscheid. Ist der Entscheid gefällt, wird er geschlossen vertreten.

Damit komme ich zur Frage der Transparenz und ihrer Grenzen. Transparenz in Bezug auf unser Ziel und die Art und Weise, wie wir dieses erreichen wollen, unterstützt die Erfüllung unseres Mandats. Sie stärkt die Glaubwürdigkeit und ermöglicht es der Öffentlichkeit, unser Handeln nachzuvollziehen. Mehr Transparenz ist indes nicht immer besser. Von zentraler Bedeutung ist es, dass das Direktorium bei seinen geldpolitischen Lagebeurteilungen offen diskutieren kann. Die Information über diese Diskussionen darf die Teilnehmenden nicht davon abhalten, ihre Meinung frei zu äussern. Ebenso wichtig ist es, dass die SNB ihre Geldpolitik klar und einheitlich kommuniziert. Aus diesen Gründen wird die Zusammenfassung keine Details zu einzelnen Voten enthalten. Vielmehr wird sie die Beratungen und den Entscheid des Direktoriums als Kollektiv darlegen.

Schlussbemerkungen

Abschliessend möchte ich nochmals unterstreichen, dass die Kommunikation ein zentrales Element für die Erfüllung unseres Mandats ist. Wir haben deshalb beschlossen, in Ergänzung zu den bestehenden Kommunikationsmitteln neu eine Zusammenfassung unserer geldpolitischen Diskussionen zu veröffentlichen. Dies zeigt, wie wichtig Transparenz ist in Bezug auf unsere Ziele und die Art und Weise, wie wir diese erreichen wollen. Die letzten Jahre haben gezeigt, wie schnell sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ändern können – von der Pandemie bis hin zu Verschiebungen in der globalen Handelspolitik. Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit versteht, wie wir unser Konzept auf die aktuellen Gegebenheiten anwenden, um Preisstabilität zu gewährleisten.

Eingangs sprach ich über Besuche wie diesen heute bei der Tessiner Bankiervereinigung. Sie geben uns eine wertvolle Gelegenheit, unser Handeln zu erklären. Oft legen wir dabei dar, wie wir die Wirtschaftslage einschätzen, und präsentieren unsere Geldpolitik. Heute habe ich ein grundsätzliches Thema angesprochen – unsere Kommunikation. Ich hoffe, dass ich aufgezeigt habe, wie wichtig die Kommunikation für uns als unabhängige Zentralbank zur Erfüllung unseres Mandats ist. Wir haben unsere Kommunikation im Laufe der Zeit angepasst und entwickeln sie ständig weiter – stets mit der Absicht, unseren Auftrag bestmöglich zu erfüllen.

Martin Schlegel*

Präsident des Direktoriums
Schweizerische Nationalbank
Vezia, 10. September 2025
© Schweizerische Nationalbank (Referat auf Englisch)

  1. Der Referent dankt Raphael Reinke für die Unterstützung bei der Erstellung dieses Referats. Sein Dank geht auch an Claudia Aebersold, Alain Gabler, Christoph Hirter, Carlos Lenz, Tanja Zehnder und die Sprachendienste der SNB.

Beteiligte Personen

  • Martin Schlegel
    Präsident des Direktoriums

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