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Interview von Martin Schlegel in "Wirtschaft regional"

31. Oktober 2025

Publiziert am 31. Oktober 2025. Das Interview führte Gary Kaufmann.

Herr Schlegel, Sie treffen sich heute in Liechtenstein mit Regierungschefin Brigitte Haas. Was ist der Anlass und was sind die Themen?

Martin Schlegel: Regelmässige Treffen zwischen der Regierung Liechtensteins und der SNB haben eine lange Tradition. Sie finden abwechselnd in der Schweiz und in Liechtenstein statt. Wir nutzen diese Treffen jeweils für einen Austausch zur Wirtschaftslage, zur Finanzstabilität und zur Geld- und Währungspolitik der SNB.

Seit 1924 besteht die Währungsunion zwischen der Schweiz und Liechtenstein. Somit spielt die Geldpolitik der SNB eine zentrale Rolle für die finanzielle Stabilität des Landes. Inwiefern profitiert Liechtenstein vom Franken und welche Vorteile hat diese Union umgekehrt für die Schweiz?

Das Mandat der SNB ist auf eine stabile Währung ausgerichtet. Das heisst, die SNB sorgt dafür, dass das Geld seinen Wert behält. Dadurch, dass das Geld seinen Wert über die Zeit behält, haben Unternehmen und Haushalte Planungssicherheit. Mit der Übernahme des Schweizer Frankens profitiert die Bevölkerung und die Wirtschaft von Liechtenstein ebenfalls von der Stabilität des Schweizer Frankens. Ganz abgesehen davon ist es für die eng verflochtenen Wirtschaftsräume der Schweiz und Liechtenstein natürlich von grossem Vorteil, wenn dieselbe Währ­ung verwendet wird.

75 Prozent von Liechtensteins Quote beim Internationalen Währungsfonds (IWF), gemäss aktuellem Kurs sind es rund 85 Millionen Franken, wird bei der SNB in Form einer Schuldurkunde hinterlegt. In Liechtenstein wird zurzeit kontrovers über eine Erhöhung der IWF-Quote im Rahmen der 16. Allgemeinen Überprüfung diskutiert, weil ein Jahr nach dem Beitritt bereits zusätzliches Geld eingezahlt werden soll. In der Schweiz ging die Quotenanpassung hingegen ohne Reaktionen über die Bühne, sowohl der Nationalrat als auch Ständerat haben einstimmig zugestimmt. Können Sie die Bedenken aus Liechtenstein nachvollziehen?

Die Quoten kann man sich etwas vereinfacht als Kredite vorstellen, die der IWF bei seinen Mitgliedern beziehen kann. Diese Gelder kann der IWF als Kredit an Länder weitergeben, die das Geld benötigen. Der IWF überprüft etwa alle fünf Jahre seine Mittelausstattung. Dabei geht es vor allem darum, dass der IWF genügend finanzielle Ressourcen hat, um ein stabiles Währungs- und Finanzsystem zu ermöglichen. Die Quotenerhöhung, die Sie ansprechen, wurde im Jahr 2023 beschlossen. Dieser Entscheid war Bestandteil einer Anpassung der Zusammensetzung der IWF-Mittel, bei der die Quote um 50 Prozent erhöht werden soll. Gleichzeitig werden aber andere Mittelzusagen (die Neuen und bilateralen Kreditvereinbarungen) gekürzt, so dass die Kreditvergabekapa­zität des IWF insgesamt unverändert bleibt. Damit diese Reform in Kraft tritt, braucht es die Ratifizierung der Mitgliedsländer. In den meis­ten Ländern ist dafür die Zustimmung des Parlaments erforderlich. In der Schweiz wurde der parlamentarische Genehmigungsprozess im Jahr 2024 abgeschlossen. Sowohl der Nationalrat wie auch der Ständerat stimmten – wie Sie sagen – ohne Gegenstimmen zu.

Die Schweiz ist 1992 beigetreten. Der Liechtensteiner Landtagsabgeordnete Johannes Kaiser behauptet, dass die Schweiz seither Nachschusspflichten hatte, horrende Währungs- und Zinsverluste auf ihre Einlage einfuhr und zum Verkauf von Goldanlagen gezwungen wurde. Stimmt das?

Zu innenpolitischen Diskussionen kann ich mich nicht äussern.

Liechtensteins Regierung möchte sich durch die IWF-Quotenerhöhung im Fall einer Bankenkrise oder Naturkatastrophe besser absichern. Ist ein solcher Rettungsschirm in der Währungsunion mit der Schweiz gar nicht enthalten bzw. ist Liechtenstein trotzdem für seine eigene finanzielle Stabilität verantwortlich? 

Für die Finanzstabilität in Liechtenstein ist Liechtenstein tatsächlich selber verantwortlich. Als Mitgliedsland könnte Liechtenstein den IWF im Falle einer Krise um Hilfe anrufen und kann Liquidität beziehen, deren Grösse von der Quote abhängt. In Bezug auf die Schweiz: Zwar haben auch Banken aus Liechtenstein Zugang zum Schweizer Interbanken-Zahlungssystem sowie zu bestimmten Liquiditätsfazilitäten der SNB. Notfall-Liquidität wie sie beispielsweise im Fall der Credit Suisse seitens SNB zur Verfügung gestellt wurde, kann aber nur Banken zugutekommen, die aus einer Schweizer Sicht systemrelevant sind.

Liechtensteins Mitspracherecht im IWF ist begrenzt mit einem Stimmenanteil von 0,05 Prozent. Zudem hätte eine Ablehnung der Quote keine Folgen auf die Mitgliedschaft. Wieso sollte das Land also weitere Mittel in der Höhe von insgesamt rund 56,5 Millionen Franken blockieren, die stattdessen für andere Zwecke verwendet werden können?

Ich kann Ihnen diese Frage nur indirekt für die Schweiz beantworten. Wir erachten die Quoteneinzahlung nicht nur als eine Mitgliedschaftspflicht. Vielmehr wird mit der Erhöhung der Quoten sichergestellt, dass der IWF als Institution gestärkt wird und er sein Mandat erfüllen kann. Ein stabiles internationales Finanz- und Währungssystem ist in unserem eigenen Interesse.

Gemäss Regierung und Finanzmarktaufsicht Liechtenstein ergeben sich aus der IWF-Quotenerhöhung nur Vorteile für das Land. Gibt es tatsächlich kein Risiko, zum Beispiel ein allfälliger Wertverlust der Anlage?

Bei einer allfälligen Beanspruchung der Quote werden die Mittel dem IWF zur Verfügung gestellt und nicht den einzelnen Mitgliedsländern. Das Ausfallrisiko ist aufgrund des bevorzugten Gläubigerstatus des IWF als sehr gering einzustuf­en. Das heisst, Schuldnerländer erfüllen ihre Verpflichtungen immer zuerst gegenüber dem IWF. Der IWF hat zudem ein solides Management der Risiken und seine Kreditvergaben sind an strenge Bedingungen geknüpft.

Die Reserveposition der Quote, die direkt beim IWF hinterlegt wurde, kann Liechtenstein bei Bedarf innerhalb kurzer Zeit abrufen.

Bei der Reserveposition handelt es sich um ein Guthaben Liechtensteins beim IWF, das verzinst wird.  Es steht Liechtenstein zu und könnte von Liechtenstein in einem Krisenfall abgerufen werden.

Ein Jahr nach dem IWF-Beitritt befasst sich Liechtensteins Landtag bereits mit einer Quotenerhöhung. Unabhängig von der Entscheidung der Abgeordneten: Sollte zur Legitimation nicht das Volk darüber entscheiden, wenn eine grosse Menge der Stimmbürger Zweifel am Nutzen der IWF-Mitgliedschaft hat? (Immerhin waren 2024 insgesamt 44,2 Prozent gegen einen Beitritt.)

Zu innenpolitischen Diskussionen kann ich mich nicht äussern.

Die Schweiz leitet die IWF-Stimmrechtsgruppe, der auch Liechtenstein angehört. Wie würde die Schweiz das finden, wenn das Nachbarland und der Währungspartner eine Erhöhung der Quote ablehnt?

Die Entscheidung über die Ratifikation der Quotenüberprüfung in Liechtenstein ist ausschliesslich in Liechtensteins Kompetenz. Was ich sagen kann, ist, dass von der Schweizer Stimmrechtsgruppe 8 von 10 Ländern bereits zugestimmt haben.

* Das Interview wurde schriftlich geführt.

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