Geldpolitik im Gesamtinteresse des Landes

Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums

111. ordentliche Generalversammlung der Aktionäre der Schweizerischen Nationalbank, Bern, 26.04.2019

Seit rund vier Jahren stützt die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihre Geldpolitik auf zwei Pfeiler: den Negativzins und die Bereitschaft, bei Bedarf am Devisenmarkt zu intervenieren. Beides sind unkonventionelle geldpolitische Massnahmen und in der gegenwärtigen Situation unerlässlich, um Preisstabilität zu gewährleisten.

Seit einem Vierteljahrhundert sinkt das globale Zinsniveau. Für diesen Rückgang gibt es verschiedene Erklärungen. Eine davon ist die erfolgreiche Bekämpfung der Inflation durch die Zentralbanken; doch auch der globale Realzins ist rückläufig, was u.a. mit der Demografie und dem verlangsamten Produktivitätswachstum in den Industrieländern zusammenhängt. Das Tiefzinsumfeld erschwert die konventionelle Geldpolitik, da diese weniger auf Störungen reagieren kann. Normalerweise mildert eine Zentralbank Konjunkturabschwächungen, indem sie den Zins senkt. Ist das globale Zinsniveau aber ohnehin sehr tief, schränkt dies den Spielraum der konventionellen Geldpolitik ein.

Vor elf Jahren brach die globale Finanz- und Wirtschaftskrise aus, was einen heftigen Rückgang der Wirtschaftsleistung und der Inflation in der Schweiz zur Folge hatte. Zuerst reagierte die SNB auf konventionelle Art und senkte die Zinsen auf praktisch null. Als auf die Finanzkrise die Staatschuldenkrise in der Eurozone folgte, musste die SNB zu unkonventionellen Mitteln greifen und intervenierte am Devisenmarkt. Seit der Aufhebung des Mindestkurses erhebt die SNB einen Negativzins, um die Attraktivität des Frankens zu begrenzen. Zusammen mit der Interventionsbereitschaft hat der Negativzins wesentlich dazu beigetragen, dass die Schweizer Wirtschaft glimpflich durch die Krise gekommen ist. Auch heute hilft er, dass sich unsere Wirtschaft trotz vieler internationaler Unsicherheitsfaktoren gut entwickelt.

Allerdings stellt das tiefe Zinsniveau Teile der Schweizer Wirtschaft wie Pensionskassen und Lebensversicherungen vor Herausforderungen und hat Nebenwirkungen, etwa am Immobilienmarkt. Bei diesen Schwierigkeiten ist es aber weniger der Negativzins, der ins Gewicht fällt, als vielmehr das globale Tiefzinsumfeld. Der Negativzins wurde nach sorgfältiger Abwägung seiner Vor- und Nachteile eingeführt, und seine Wirksamkeit wird laufend und unvoreingenommen geprüft. In der gegenwärtigen Situation ist die unkonventionelle Geldpolitik der SNB weiterhin notwendig und angemessen - und liegt damit im Gesamtinteresse der Schweiz.