Unabhängigkeit von Zentralbanken nach der Finanzkrise: Die Schweizer Perspektive

Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums

CFS Presidential Lectures, Goethe Universität, Frankfurt am Main, 09.11.2017

Die Finanzkrise stellte die Zentralbanken vor grosse Herausforderungen. Sie haben unkonventionelle geldpolitische Instrumente eingesetzt und ihre Tätigkeitsfelder ausgeweitet. Als Folge davon ist die Kritik an den Zentralbanken gewachsen. Dabei wird insbesondere die Frage gestellt, ob ihre Unabhängigkeit weiterhin gerechtfertigt ist.

Die Erfahrungen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) seit der Finanzkrise zeigen, dass die Unabhängigkeit unverändert sinnvoll und nötig ist. Ihrem Mandat, die Preisstabilität zu sichern und zur Finanzstabilität beizutragen, können Zentralbanken am besten dann gerecht werden, wenn sie vor politischem Druck geschützt sind.

Die Unabhängigkeit einer Zentralbank wird aber nur solange Bestand haben, wie Bevölkerung und Politik von den damit verbundenen Vorteilen überzeugt sind. Dies kann vor allem dadurch erreicht werden, dass die Zentralbanken ihren Auftrag nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen. Dabei sollten sie bei ihren Massnahmen die Verhältnismässigkeit wahren und eine langfristige Sichtweise einnehmen. Nicht jede kurzfristige Zielabweichung rechtfertigt Aktivismus. Auch müssen Zentralbanken sich ihrer Grenzen bewusst sein und eine Anhäufung von Aufgaben vermeiden.

In einer Demokratie ist es für die Legitimation der Unabhängigkeit einer Zentralbank entscheidend, dass ihr ein konkretes Mandat auferlegt wird, dessen Erfüllung beurteilt werden kann. Das Umfeld, in dem Zentralbanken agieren, ist allerdings sehr komplex und kann sich rasch ändern. Deshalb umschreibt das Mandat meist nur die Grundgedanken, an denen sich das Handeln einer Zentralbank orientieren muss. Das ist sinnvoll, denn es sichert Zentralbanken in schwierigen Situationen die nötige Flexibilität.

Als Gegenstück zu ihrer Unabhängigkeit müssen Zentralbanken Rechenschaft über ihre Entscheide und deren Auswirkungen ablegen. Die SNB hat dies mit Blick auf ihre geldpolitischen Massnahmen, aber auch auf diejenigen im Bereich der Finanzstabilität, immer wieder umfassend getan. Sie hat beispielsweise aufgezeigt, welche Güterabwägungen sie bei der Aufhebung des Mindestkurses oder der Einführung des Negativzinses vorgenommen hat und wie diese Massnahmen zur Erfüllung ihres Mandats beitragen.

Im Bereich der Finanzstabilität sprechen die teilweise starken Verteilungswirkungen makroprudenzieller Instrumente gegen die vollständige Übertragung der Verantwortung an die Zentralbank. Denn im Unterschied zur Geldpolitik sind diese Massnahmen zuweilen auf spezifische Sektoren und Gruppen ausgerichtet und haben dadurch auch einen fiskalpolitischen Charakter. Deshalb hat die Schweiz die makroprudenziellen Aufgaben auf die Regierung, die Finanzmarktaufsicht und die SNB aufgeteilt. Die SNB ist zuständig für die Beurteilung der Systemrelevanz von Banken und Finanzmarktinfrastrukturen und spielt eine wichtige Rolle beim Einsatz des antizyklischen Kapitalpuffers.