Die Schweizer Wirtschaft in einer geschwächten Welt

Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums

Generalversammlung des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie, Lausanne, 25.06.2015

Seit dem Sommer 2007 befindet sich die Weltwirtschaft in einem nahezu permanenten Krisenzustand. Was als Subprime-Krise begann, führte über die Banken- und Finanzkrise zu einer tiefen Rezession und mündete in der europäischen Schuldenkrise. Die heutige Stärke des Schweizer Frankens ist das Spiegelbild der globalen Krise. Sie ist vor allem dem Status des Frankens als sicherer Hafen zuzuschreiben, der in Zeiten hoher globaler Unsicherheit besonders ausgeprägt ist.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat auf den Aufwertungsdruck mit ausserordentlichen Massnahmen reagiert. Gemessen an der Wirtschaftsleistung der Schweiz und der Bilanz der SNB hat sich die Geldpolitik in keinem anderen Land derart stark exponiert. Der Entscheid, den Mindestkurs aufzuheben, ist auf erneute Veränderungen im internationalen Umfeld zurückzuführen, insbesondere auf die zunehmende Divergenz der Geldpolitik zwischen den grossen Währungsblöcken. Bei einem Aufschieben des Entscheids hätte die SNB die Kontrolle über die Geldpolitik verloren und den Mindestkurs später unter viel ungünstigeren Bedingungen aufheben müssen.

Das Ende des Mindestkurses ist von grosser Tragweite für die Schweizer Volkswirtschaft. Der Schritt ist der SNB keineswegs leicht gefallen. Aber auch in der Vergangenheit musste die Schweizer Wirtschaft immer wieder auf Schocks und Veränderungen im internationalen Umfeld reagieren, was häufig schmerzhaft war. Das Beispiel der Uhrenindustrie zeigt, dass sich auch schwere Krisen meistern lassen. Leider lässt sich dieses Beispiel nicht einfach auf andere Exportzweige übertragen. Gegenwärtig sind viele Unternehmen gezwungen, die Kosten zu reduzieren und die Effizienz zu erhöhen.

Der wirtschaftliche Ausblick hängt stark von der weiteren Entwicklung der Weltwirtschaft ab. Die SNB geht in ihrer jüngsten Lagebeurteilung davon aus, dass die internationale Konjunktur wieder anziehen wird. Dies dürfte den Wechselkursschock etwas abfedern und der Schweizer Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte wieder ein positives Wachstum ermöglichen. Die Inflation ist zwar deutlich in den negativen Bereich gefallen, ein anhaltender Preisrückgang oder gar eine deflationäre Spirale ist aus heutiger Sicht aber nicht zu erwarten.

Der Franken ist gegenwärtig insgesamt deutlich überbewertet. Die aktuelle Geldpolitik ist auf die schwierige Lage ausgerichtet. Sie basiert einerseits auf der Bereitschaft, am Devisenmarkt aktiv zu sein, und andererseits auf dem Negativzins. Beides dient dazu, den Aufwertungsdruck auf den Franken abzuschwächen. Im heutigen Umfeld gibt es aber leider keine einfache Lösung, die alle Störungen von aussen absorbiert. Eine gewisse Durststrecke für die Wirtschaft ist deshalb unvermeidbar.

Die SNB ist sich bewusst, dass sich viele Unternehmen in einer schwierigen Situation befinden. Sie hat sehr grossen Respekt vor den Herausforderungen, die sich für Schweizer Unternehmen und ihre Mitarbeitenden ergeben haben.