Die Schweiz im Herzen Europas: Zwischen Unabhängigkeit und Verflechtung

Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums

Université libre de Bruxelles, Brüssel, 17.02.2015

Die Schweiz weist eine lange Tradition der politischen Unabhängigkeit auf. Aber politische Eigenständigkeit bedeutet nicht wirtschaftliche Isolation. Die Schweizer Wirtschaft gehört weltweit zu den Volkswirtschaften, die am stärksten international verflochten sind. Als kleines, rohstoffarmes Land hat die Schweiz sehr früh begonnen, grenzüberschreitende wirtschaftliche Beziehungen zu pflegen. Ökonomische Integration hat massgeblich zum Wohlstand der Schweiz beigetragen.

Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass die Schweiz den Entwicklungen der Weltwirtschaft und der Finanzmärkte stark ausgesetzt ist. Dies hat auch die globale Finanzkrise samt ihren Folgen gezeigt. Im Jahr 2009 brach die Wirtschaftsleistung ein. Die Auswirkungen fielen aber insgesamt geringer aus als in der Eurozone. Mehrere strukturelle Faktoren haben wesentlich dazu beigetragen, die Widerstandskraft der Schweizer Wirtschaft gegenüber Schocks zu stärken. Strukturelle Veränderungen in der Zusammensetzung der Exporte, ein flexibler Arbeitsmarkt sowie gesunde öffentliche Finanzen waren entscheidend, dass sich die Schweizer Wirtschaft in einem sehr schwierigen internationalen Umfeld relativ gut behaupten konnte.

Die unumgängliche Aufhebung des Mindestkurses gegenüber dem Euro Mitte Januar 2015 war ebenfalls ein eindrückliches Beispiel für die gegenseitigen Abhängigkeiten. Der Entscheid hat heftige Reaktionen an den internationalen Finanzmärkten ausgelöst, und der Schweizer Franken wertete signifikant auf. Aufgrund der deutlichen Überbewertung des Frankens sieht sich die Schweizer Wirtschaft zurzeit starken Gegenwinden ausgesetzt und vor viele Herausforderungen gestellt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat die Zinsen auf so tiefe Niveaus wie noch nie zuvor gesenkt, um die Auswirkungen der Aufhebung des Mindestkurses abzufedern. Zudem wird die SNB der Wechselkurssituation bei der Gestaltung der Geldpolitik auch künftig Rechnung tragen. Sie wird daher bei Bedarf am Devisenmarkt aktiv bleiben, um die monetären Bedingungen zu beeinflussen.

Gleichwohl kommen in der nahen Zukunft bedeutende Herausforderungen auf die Schweiz zu. Die Schweizer Wirtschaft muss heute mehr denn je auf ihre strukturellen Stärken und Flexibilität bauen, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit und damit den Wohlstand des Landes zu bewahren.