Ursachen und Folgen der tiefen Zinsen

Jean-Pierre Danthine, Vizepräsident des Direktoriums

Swisscanto Market Outlook 2014, Lausanne, 14.11.2013

Bereits seit mehreren Jahren befinden sich die lang- und kurzfristigen Zinsen in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften auf historisch tiefem Niveau. Dies lässt sich auf einen langanhaltenden Abwärtstrend zurückführen, der in den 1980er-Jahren einsetzte. Dazu kommt ein zyklischer Rückgang der Zinsen im Zuge der Finanzkrise. Der langfristige Abwärtstrend kann mit tieferen Inflationsprämien sowie einem Rückgang der realen Zinsen erklärt werden. Der zyklische Rückgang wiederum ist zunächst und zur Hauptsache eine natürliche Folge des negativen Einflusses der Finanz- und Wirtschaftskrise auf das Wachstum sowie der seither erst gedämpften Erholung der Weltwirtschaft. Darüber hinaus spielt die als Reaktion auf diese Krise expansive Geldpolitik eine wichtige Rolle. Im Fall der Schweiz sorgt die erhöhte Nachfrage nach sicheren Anlagen für zusätzlichen Abwärtsdruck auf die Zinsen. Kurz gesagt widerspiegeln die Zinsen die herrschenden wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse sowie die angemessene Antwort der Geldpolitik darauf.

Auch wenn das tiefe Zinsniveau aufgrund des wirtschaftlichen Umfelds gut begründet werden kann, ist eine anhaltende Periode tiefer Zinsen nicht ohne Risiko. Insbesondere entsteht dadurch möglicherweise ein Nährboden für Instabilität im Finanzsystem. Tiefe Zinsen können Vermögenspreise antreiben, einen Kreditboom auslösen und zum Eingehen von übermässigem Risiko an den Finanzmärkten verleiten. Darüber hinaus könnten sie Marktteilnehmer dazu bewegen, sich zu sehr darauf zu verlassen, dass die Zentralbanken negative Schocks auffangen werden. Die Antwort darauf lautet, makroprudenziellen Instrumenten mehr Gewicht einzuräumen. Diese sollten dabei Seite an Seite mit einer nach wie vor resolut auf die Preisstabilität ausgerichteten Geldpolitik eingesetzt werden.

Wie werden sich die Zinsen künftig entwickeln? Zumindest qualitativ ist die Antwort relativ klar: Der von der Krise ausgelöste zyklische Rückgang wird mit der Zeit wettgemacht. Die Weltwirtschaft wird eines Tages auf einen robusteren Wachstumspfad zurückfinden. Zinsen und Geldpolitik werden dannzumal eine solche Veränderung des Umfelds begleiten. Soweit sind wir aber offensichtlich noch nicht. Die Weltwirtschaft ist immer noch anfällig, und die Unsicherheiten bleiben hoch. Entsprechend erwarten die Märkte, dass die Leitzinsen noch über mehrere Quartale tief bleiben.