Kommunikation in der Geldpolitik: Erfahrungen der Schweizerischen Nationalbank

Thomas Jordan, Stellvertretendes Mitglied des Direktoriums

Konferenz "Zentralbankkommunikation", Universität Siegen (Folien), Siegen, 24.06.2006

Zentralbanken sind im Verlauf der letzten zwei Jahrzehnte in Bezug auf ihre Ziele und Verfahren erheblich transparenter geworden. Dieser Wandel wurde einerseits durch die Forderung hervorgerufen, dass unabhängige Zentralbanken in demokratischen Gesellschaften der Öffentlichkeit Rechenschaft schuldig sind. Anderseits setzte sich die Erkenntnis durch, dass Transparenz die Wirksamkeit der Geldpolitik verbessert, was die Tendenz zu mehr Offenheit verstärkte. Eine wohl durchdachte Kommunikationsstrategie trägt unter diesen Voraussetzungen wesentlich zur Erreichung der Ziele einer Zentralbank bei. Aus den zahlreichen theoretischen Arbeiten ergeben sich indessen keine klaren Leitlinien, wie eine wirkungsvolle Transparenz- und Kommunikationspolitik in der Praxis ausgestaltet werden soll.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat seit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods- Systems fixer Wechselkurse stets den Wunsch zum Ausdruck gebracht, dass die Funktionsweise ihrer Geldpolitik von einer breiteren Öffentlichkeit gut verstanden wird. Der Übergang von der Geldmengensteuerung zu einem auf Inflationsprognosen basierenden Konzept Ende der neunziger Jahre ging mit einer erheblichen Steigerung der Transparenz und einer Intensivierung der Kommunikationsaktivitäten einher. Heute werden regelmässig umfangreiche Informationen veröffentlicht. Die SNB beabsichtigt, die Markterwartungen zu steuern, indem sie einerseits eine Inflationsprognose veröffentlicht, die auf der Annahme eines konstanten Zinssatzes beruht. Andererseits vermittelt sie der Öffentlichkeit ihre Einschätzung der zukünftigen Wirtschaftslage und die mögliche geldpolitische Haltung, die sie in der Zukunft einnehmen wird.

Die SNB hat mit ihrer Kommunikationspolitik im Rahmen des neuen geldpolitischen Konzepts sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Marktteilnehmer sowie die breite Öffentlichkeit haben neue Informationen weitgehend gleich interpretiert wie die SNB. Sie scheinen also sowohl das geldpolitische Konzept der SNB als auch deren wirtschaftlichen Analysen gut verstanden zu haben. Trotzdem können Überraschungen von Zeit zu Zeit vorkommen. Solange diese für die Marktteilnehmer und die breite Öffentlichkeit nachvollziehbar sind, wird die Glaubwürdigkeit der Zentralbank dadurch nicht gefährdet.

In einem sich kontinuierlich verändernden Umfeld müssen sich Transparenz und Kommunikation fortwährend weiterentwickeln. Dabei gibt es keine magische Formel, die hilft, eine einzigartige, optimale Kommunikationspolitik zu entwerfen. Verschiedene Ansätze geldpolitischer Kommunikation können sowohl in Bezug auf die Reaktionen der Märkte als auch auf die Vorhersehbarkeit geldpolitischer Entscheide gleich wirksam sein. Kommunikation wird aber in jedem Fall durch kulturelle und politische Gegebenheiten eines Landes beeinflusst und hängt letztlich vom Inflationsausweis der Zentralbank ab. Trendige Konzepte wie die Veröffentlichung des Protokolls der geldpolitischen Sitzungen oder der Auffassung der Zentralbank über den zukünftigen Verlauf der Zinssätze sollten kritisch betrachtet werden. Sie müssen vor dem Hintergrund der spezifischen institutionellen, politischen und historischen Eigenheiten eines Landes beurteilt werden. Im Allgemeinen sollte eine Veränderung im Kommunikationsverhalten mit der Absicht vorgenommen werden, die Glaubwürdigkeit, Reputation und Kompetenz einer Zentralbank zu erhöhen, und kein Selbstzweck sein.