Kontinuität und Umbruch: Die schweizerische Geldpolitik und ihr Umfeld

Jean-Pierre Roth, Vizepräsident des Direktoriums

Wirtschaftsforum, Winterthur, 20.01.2000

Das Umfeld, in dem die Schweizerische Nationalbank operiert, hat sich in den letzten Jahren tiefgreifend verändert. Es ist geprägt von Liberalisierung, Deregulierung und einer immer stärkeren globalen Vernetzung. Die dadurch verursachten Umwälzungen betreffen sowohl die Güter- als auch die Finanzmärkte, wobei die Finanzmärkte die Gütermärkte an Dynamik noch übertreffen. Vieles spricht dafür, dass dieser Prozess in den nächsten Jahren weiter andauern, ja sich sogar noch verstärken wird.

Neben dieser allgemeinen Entwicklung hat auch im konkreten monetären Umfeld der Schweiz eine bedeutende Veränderung stattgefunden. Seit gut einem Jahr ist der Euro in den uns umgebenden Ländern eingeführt worden. Für die Schweiz stellt die Einführung der europäischen Einheitswährung eine monetäre Herausforderung dar. Unsere Währung und unsere Wirtschaft bewegen sich in einem völlig neuen europäischen Umfeld.

Für die Wirtschaftspolitik bedeutet die zunehmende internationale Verflechtung, dass sich die kurzfristige Entwicklung einer Volkswirtschaft noch weniger steuern lässt als früher. Günstige Rahmenbedingungen sind heute wichtiger denn je, damit ein Land im verstärkten globalen Wettbewerb bestehen kann. Mit einer auf Geldwertstabilität ausgerichteten Politik leistet die Nationalbank den besten Beitrag zum langfristigen Gedeihen unseres Landes. Gerade in einem Umfeld, das sich beinahe täglich wandelt, stellt Preisstabilität eine besonders wertvolle Konstante dar.

Preisstabilität kann am besten gewährleistet werden, wenn die Notenbank frei von politischem Druck und frei von den Zwängen eines fixen Wechselkurses agieren kann. Diese Voraussetzungen sind in der Schweiz gegenwärtig erfüllt. Gleichzeitig verlangt der Wandel im Umfeld der Geldpolitik nach gewissen Anpassungen bei der konkreten Umsetzung der letzteren. Bei unserem neuen geldpolitischen Konzept sticht vor allem die Erhöhung der Transparenz heraus. Mit der Publikation einer Inflationsprognose und der Festlegung eines Zielbandes für den Dreimonatsatz beschreiten wir neue Wege. Wir erfüllen damit den Wunsch des Marktes nach vermehrter Information über unsere Einschätzungen und Absichten. Gleichzeitig gehen wir mit diesen Neuerungen auch ein gewisses Risiko ein. So wird sich erst noch zeigen, wie der Markt mit der neuen Informationslage umgeht. Die Nationalbank ist aber zuversichtlich, dass sich das neue Konzept in der Praxis bewähren wird.