Die Herausforderung des Finanzsystems: Überlegungen eines Zentralbankiers

Bruno Gehrig, Mitglied des Direktoriums

Generalversammlung der Schweizerischen Gesellschaft für Aussenpolitik (SGA), Genf, 11.05.1999

Die vergangenen zwei Jahre waren gekennzeichnet durch eine Reihe schwerwiegender Erschütterungen an den Finanzmärkten, die zu mehreren schadensbegrenzenden Efforts unter der Ägide des IWF Anlass gaben. Die Erfolgsbilanz dieser Einsätze fällt gemischt aus. Die Frage nach sinnvollen Reformen verdient ein hohes Mass an Aufmerksamkeit, auch wenn die Forderung nach einer neuen globalen Finanzarchitektur unrealistischen Erwartungen Vorschub leistet. Prioritär sollte sich der Effort zur Reform auf vier Aspekte konzentrieren. Der wichtigste betrifft das Wechselkursregime, das deutlich flexibler ausgestattet werden muss. Dafür sprechen zwingend die mehrheitlich misslungenen Versuche, unter Einsatz umfangreicher Kredite unrealistische Kurse zu verteidigen. Zweitens muss die rapide gewachsene Kreditgewährung durch den IWF zur Sorge Anlass geben. Der Fonds muss wieder stärker auf seine Aufgaben als Berater und Katalysator setzen. Drittens verdienen praktikable Lösungen zu einem vermehrten Burden Sharing durch die privaten Geldgeber eine hohe Priorität, auch wenn die Erfolgschancen in diesem Bereich eng begrenzt scheinen. Schliesslich muss die Ausbreitung internationaler Standards bezüglich Finanzregulierung, der Transparenz, der Corporate Governance und des Konkursgesetzes kraftvoll vorangetrieben werden.

Turbulenzen und Störungen wird es an den Finanzmärkten gewiss immer wieder geben. Allein, ihre volkswirtschaftlichen Konsequenzen sind so gravierend, dass selbst kleine Fortschritte einen hohen Einsatz wert sind.