Protektionismus erschwert die Geldpolitik

Thomas Jordan, Präsident des Direktoriums

Volkswirtschaftliche Gesellschaft des Kantons Bern, Bern, 31.10.2018

Die Schweiz verdankt einen grossen Teil ihres heutigen Wohlstands offenen Märkten und intensivem Handel mit vielen Ländern rund um den Globus. In den vergangenen Jahrzehnten hat der freie Handel zusammen mit dem technischen Fortschritt weltweit für Wachstum und Wohlstand gesorgt. Trotzdem scheint der Protektionismus heute wieder auf dem Vormarsch zu sein. Handelsstreitigkeiten bedrohen den Aufschwung. Für die Zentralbanken birgt dies ein erhebliches Risiko: Der aufflammende Protektionismus könnte negative Rückwirkungen auf die Geldpolitik haben.

Unzählige Studien belegen, dass der freie Austausch von Gütern den Lebensstandard der Menschen verbessert. Widerstand dagegen gibt es vor allem deshalb, weil nicht alle in gleichem Ausmass davon profitieren. Während alle Länder, die am Freihandel teilhaben, durch den freien Austausch gewinnen, gilt dies nicht grundsätzlich für jeden Haushalt und jedes Unternehmen. Freihandel hinterlässt auch Verlierer. Dass einige Unternehmen und Branchen aufsteigen, während andere schrumpfen, ist aber nicht allein auf den internationalen Handel zurückzuführen. Der technische Fortschritt treibt den Strukturwandel mindestens ebenso stark an.

In der jüngeren Vergangenheit sind Stimmen laut geworden, die den Freihandel nicht als "fair" erachten. Der Begriff "Fairness" wird dabei auf verschiedene Art verwendet. So wird er etwa zur Beurteilung von bilateralen Handelsbeziehungen benutzt oder aber für Verstösse gegen bestehende Handelsregeln. Freihandel ist kein Nullsummenspiel, bei dem die eine Seite das gewinnt, was die andere verliert. Die Sichtweise, dass die bilaterale Handelsbilanz stets ausgeglichen sein sollte, verkennt diese Realität. Der Vorwurf, dass sich einige Länder nicht an die Regeln halten, sondern versuchen, sich mit einseitigen Massnahmen Vorteile zu verschaffen, ist allerdings nicht unberechtigt.

Die von den USA jüngst erhöhten Zölle haben bereits erste Gegenreaktionen der betroffenen Handelspartner ausgelöst. Sollte sich diese Spirale weiterdrehen, könnte dies in einen veritablen Handelskrieg münden, mit dramatischen Folgen für die Weltwirtschaft. Auch die Geldpolitik wäre davon tangiert. Zölle und andere Handelshemmnisse wirken kurzfristig inflationär und wachstumsbremsend, also wie ein negativer Angebotsschock, der zu einer Erhöhung der Produktionskosten führt. Die optimale geldpolitische Reaktion einer Zentralbank darauf ist nicht a priori klar. Wichtig sind die Erwartungen der Produzenten und Konsumenten. Besonders die längerfristigen Inflationserwartungen sind für die Ausrichtung der Geldpolitik zentral. Protektionismus schürt Unsicherheit sowohl in Bezug auf die kurzfristige Entwicklung der Realwirtschaft und der Preise als auch in Bezug auf die längerfristigen makroökonomischen Zusammenhänge. Diese Unsicherheit erschwert einer Zentralbank die Erfüllung ihres Mandats.

Die Schweiz als kleine offene Volkswirtschaft wäre von einem Handelskrieg ganz besonders betroffen. Sie hat deshalb ein vitales Interesse daran, protektionistischen Tendenzen entschieden entgegenzutreten und sich auf der internationalen Ebene für gute Handelsregeln einzusetzen. Freihandel ist ein wichtiger Treiber unseres Wohlstandes. Seine Errungenschaften dürfen nicht leichtfertig preisgegeben werden.