Negativzins: Geldpolitisch notwendig - aber mit welchen Risiken für die Banken?

Fritz Zurbrügg, Vizepräsident des Direktoriums

Volkswirtschaftliche Gesellschaft des Kantons Bern, Bern, 24.11.2016

Der Negativzins, den die Nationalbank seit Januar 2015 auf Sichtguthaben der Banken bei ihr erhebt, ist aus geldpolitischer Sicht notwendig. Vor dem Hintergrund des globalen Tiefzinsumfelds und der schwierigen weltwirtschaftlichen Lage dient er - zusammen mit der Bereitschaft der Nationalbank, am Devisenmarkt zu intervenieren - dazu, den Aufwertungsdruck auf den Franken zu verringern. Damit trägt der Negativzins zur Stabilisierung der Preise bei und unterstützt die Wirtschaftsaktivität in der Schweiz. Dies sind auch wichtige Voraussetzungen für ein prosperierendes und stabiles Bankensystem.

Gleichzeitig ist das aktuelle Zinsumfeld mit Herausforderungen verbunden. Allen voran kann eine anhaltende Tiefzinsphase Auswirkungen auf die Finanzstabilität haben, die aus volkswirtschaftlicher Sicht unerwünscht sind. Insbesondere belasten tiefe Zinsen die Profitabilität der Banken im Zinsengeschäft und können dadurch das Eingehen von übermässigen Risiken fördern.

Dies gilt in der Schweiz gerade für die inlandorientierten Banken, die besonders stark auf das Zinsengeschäft ausgerichtet sind und deren Zinsmarge im Zuge der ausserordentlichen Tiefzinsphase seit 2008 tatsächlich unter Druck geraten ist. Der Negativzins an sich hat ihre Profitabilität bisher allerdings nicht zusätzlich reduziert. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass der Negativzins dank der gewährten Freibeträge für die meisten inlandorientierten Banken bislang keine bedeutenden direkten Kosten nach sich zog. Gleichzeitig haben die Banken auf den Negativzins reagiert, indem sie die Aktivmarge und ihre Risikoneigung bei der Kreditvergabe weiter erhöhten.

Die Folgen, die mit dem anhaltenden Tiefzinsumfeld für die Finanzstabilität verbunden sind, können bislang als tragbar eingestuft werden. Hierzu leisten sowohl die umfangreichen Kapitalpolster der inlandorientierten Banken als auch die von Behörden, Nationalbank und Banken in den letzten Jahren gemeinsam getroffenen Massnahmen ihren Beitrag.

Für die Banken besteht allerdings ein Anreiz, ihre Risikoneigung weiter zu erhöhen, je länger sie mit ausserordentlich tiefen Zinsen und dem damit einhergehenden Druck auf die Profitabilität konfrontiert sind. Dies gilt vorab für die Beurteilung der Tragbarkeit bei der Vergabe von Hypotheken und das Ausmass der nicht abgesicherten Zinsrisiken aus der Fristentransformation. In der Folge könnten über die Zeit die bereits bedeutenden Ungleichgewichte auf dem Schweizer Immobilien- und Hypothekarmarkt wieder zunehmen.

Im Sinne der Vorsicht ist es daher von grosser Bedeutung, dass die Banken bei der Kreditvergabe konservative Grundsätze anwenden. Bei der Beurteilung der Tragbarkeit und des dabei relevanten Zinssatzes ist zu beachten, dass Immobilien gewöhnlich mit einem langen Planungshorizont von mehreren Jahrzehnten erworben werden. Im Zeitverlauf können die Zinsen durchaus wieder deutlich höher zu liegen kommen als heute. Auch wenn ein starker Zinsanstieg in der kurzen Frist unwahrscheinlich ist, sollten sich Kreditnehmer und Banken nicht darauf verlassen, dass die Finanzierungsbedingungen über den ganzen Planungshorizont gleich günstig bleiben wie heute.