Die Unabhängigkeit der Nationalbank

Philipp Hildebrand, Präsident des Direktoriums

Avenir Suisse, Zürich, 21.06.2011

In der Finanzkrise haben viele Zentralbanken unkonventionelle Massnahmen ergreifen müssen. Daher überrascht es nicht, dass eine Debatte über die Unabhängigkeit der Geldpolitiker in Gang gekommen ist. Die Unabhängigkeit ist allerdings nur ein Mittel zum Zweck. Dieser besteht in der Schweiz gemäss Nationalbankgesetz darin, eine Geld- und Währungspolitik im Gesamtinteresse des Landes zu führen und dabei die Preisstabilität zu gewährleisten. Theorie und Empirie sind international eindeutig: Je unabhängiger eine Zentralbank ist, desto besser kann sie ihren Auftrag erfüllen. Weil die Geldpolitik mit einer erheblichen Zeitverzögerung wirkt, müssen Notenbanker glaubwürdig sein. Unabhängigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass eine Zentralbank diese Glaubwürdigkeit erarbeiten kann. Für die Schweizer Volkswirtschaft ist die der Nationalbank verliehene Unabhängigkeit besonders wichtig, weil die Geldpolitik im Falle von Schocks die Hauptlast der Anpassung zu tragen hat. Die Unabhängigkeit gilt aber nicht absolut, sondern nur in Bezug auf den vom Gesetzgeber erteilten Auftrag. Zudem gilt sie nicht bedingungslos, sondern ist an die Pflicht geknüpft, dem Bundesrat und dem Parlament Rechenschaft abzulegen und die Öffentlichkeit regelmässig zu informieren. Über Bankrat und Aktionariat sind auch die Kantone einbezogen. Transparenz und Rechenschaft sind zentral - besonders in Krisenzeiten, in denen der Informationsbedarf der Öffentlichkeit sprunghaft zunimmt. Die Unabhängigkeit der Zentralbanken ist latent immer gefährdet. Die enge Zusammenarbeit mit den Regierungen in der jüngsten Krise war richtig, könnte aber in der Politik falsche Erwartungen wecken. Wichtig ist, dass sich Zentralbanken auf ihren geldpolitischen Auftrag konzentrieren. Um ihren Auftrag im Landesinteresse zu erfüllen, wird die Nationalbank auch künftig die Instrumente einsetzen, die sie dafür als am besten geeignet erachtet.