Geldpolitik und Staatsverschuldung: Unterschiedliche Perspektiven

Thomas Jordan, Mitglied des Direktoriums

13. Zermatter Symposium, Zermatt, 28.08.2007

Die Wirkungsbereiche von Fiskalpolitik und Geldpolitik überschneiden sich. So kann die Fiskalpolitik auch die Konjunktur beeinflussen und die Geldpolitik auch Einnahmen für den Staat generieren. Theorie und Praxis zeigen jedoch, dass die Geldpolitik in erster Linie für die Sicherung der Preisstabilität und in beschränktem Ausmass auch für die Dämpfung von Konjunkturschwankungen eingesetzt werden sollte, während die Fiskalpolitik vor allem für eine möglichst effiziente Finanzierung des Staatshaushaltes zu sorgen hat.

Hohe Staatsschulden und ausufernde Budgetdefizite stellen für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik eine ernsthafte Bedrohung dar. Der Missbrauch der Geldpolitik als fiskalisches Instrument führt unweigerlich zu einem Kaufkraftverlust des Geldes. Viele historische Episoden hoher Inflation waren letztlich auf den Finanzbedarf des Staates zurückzuführen. Heutzutage sind viele Notenbanken aufgrund ihrer Unabhängigkeit gegen die fiskalischen Begehrlichkeiten der Politik weitgehend abgeschirmt. Trotzdem kann immer wieder beobachtet werden, dass Zentralbanken bei einer Schieflage der Staatsfinanzen unter politischen Druck geraten.

Staatsschulden sind aus der Sicht der Geldpolitik jedoch nicht nur schlecht. Im Gegenteil, Staatsschulden sind aus einer modernen Geldpolitik nicht wegzudenken. Ein liquider Markt für Staatsanleihen ist eine Voraussetzung für einen modernen und effizienten Finanzmarkt, und funktionierende Finanzmärkte sind wiederum eine Vorausset­zung für eine wirksame Geldpolitik: Ein liquider Markt für Staatsanleihen erhöht die Effizienz des geldpolitischen Transmissionsmechanismus. Renditen von Staatsanleihen und davon abgeleitete Indikatoren sind eine wichtige Informationsquelle im Entscheidungsfindungsprozess der Geldpolitik. Schliesslich dienen Staatsanleihen bei der Implementierung der Geldpolitik als Collateral.

Gesunde Staatsfinanzen sind eine Voraussetzung für eine langfristig erfolgreiche Geldpolitik und die Erhaltung der Preisstabilität. Gesunde Staatsfinanzen bedeuten aber nicht notwendigerweise, dass die Staatsverschuldung null ist. Ein liquider Markt für Staatsanleihen ist für das Funktionieren der Finanzmärkte und für eine effiziente Geldpolitik von grossem Vorteil.