Systemstabilität und Geldpolitik

Niklaus Blattner, Vizepräsident des Direktoriums

Universität Bern, Bern, 31.01.2006

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) setzt sich seit einigen Jahren intensiv mit den Wechselwirkungen zwischen der Systemstabilität und der Geldpolitik auseinander. Die Arbeit dient einer Standortbestimmung. Sie zeigt wie fruchtbar diese Auseinandersetzung ist, aber auch, dass die Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse und deren Weiterentwicklung noch keineswegs abgeschlossen sind.

Ausgangspunkt ist die Analyse, wie sie sich z.B. im Jahresbericht der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) 2005 niederschlug. Aus den Grundlagenpapieren der BIZ folgt die Aussage: Eine Geldpolitik, welche ausschliesslich auf die kürzerfristigen Gefahren für die Preisstabilität reagiert, fördert in der Verbindung mit liberalisierten Finanzsystemen die Elastizität der Wirtschaftssysteme. Nur indem die Geldpolitik auch auf sich aufbauende Ungleichgewichte in den Finanzmärkten reagiert, kann die Elastizität eingeschränkt werden. Sie kann dies tun, indem sie in Abstimmung mit dem Einsatz der makro- und mikroprudentiellen Instrumente erfolgt.

Vor diesem Hintergrund richtet sich der Blick auf die Aktivitäten der SNB. Deren Geldpolitik und deren Beiträge zur Systemstabilität dienen primär der Versorgung der Volkswirtschaft mit Liquidität. Indem sie miteinander verzahnt erfolgen, tragen sie den Erkenntnissen der internationalen Diskussion Rechnung. Die SNB stellt die Versorgung der Volkswirtschaft mit Liquidität in erster Linie mittels Geldmarktoperationen und unter bestimmten Bedingungen über ihre Funktion als "Lender of last resort" sicher. Die ausserordentliche Liquiditätshilfe kommt erst zum Einsatz, nachdem sich die Stabilität des Finanzsystems als akut gefährdet erweist. Einer solchen Gefährdung beugt die SNB vor, indem sie zu einer funktionstüchtigen Liquiditätsversorgung beiträgt. Sie erleichtert und sichert die bargeldlosen Zahlungssysteme, sie reguliert und überwacht sowohl die Zahlungs- als auch die Effektenabwicklungssysteme, und sie setzt sich für die Krisenresistenz dieser Systeme ein. Daneben beobachtet und analysiert die SNB fortlaufend das Geschehen im Finanzsystem und arbeitet eng mit der EBK, d.h. mit der Bankenaufsicht zusammen.

Die aktuelle Berücksichtigung von Informationen zur Stabilität des Finanzsystems anlässlich der geldpolitischen Entscheidungsbildung der SNB wird von drei Fragen getrieben. Die erste lautet: Ermöglicht der Einbezug von Informationen zur Stabilität des Bankensystems eine Verbesserung der Geldpolitik als Instrument zur Gewährleistung der Preisstabilität? Die zweite geht in die entgegengesetzte Richtung: Kann die Geldpolitik die Stabilität des Bankensektors beeinflussen? Und, falls die zweite Frage bejaht wird, lautet die dritte, normative Frage: Soll die Geldpolitik dazu benutzt werden, um die Stabilität im Bankensektor zu steigern?

Während die Antworten auf die erste und auf die zweite Frage positiv lauten, fällt die Antwort auf die dritte negativ aus. Die SNB verfügt neben der Geldpolitik über Alternativen, um ihren Beitrag zur Systemstabilität zu leisten. Das Instrument der Geldpolitik ist vom Gesetz her eindeutig der Gewährleistung der Preisstabilität zugeordnet. Ein Einsatz der Geldpolitik zugunsten der Stabilität des Bankensystems, aber unter Inkaufnahme von einer Verletzung des Ziels der Preisstabilität, wäre also unzulässig. Hinzu kommt, dass ein Gewinn auf der Seite der Stabilität des Bankensystems auf Kosten der Preisstabilität höchstens vorübergehender Natur wäre.