Die Überalterung der Bevölkerung zwingt uns zum Handeln!

Jean-Pierre Roth, Präsident des Direktoriums

Schweizerische Aktuarvereinigung, Basel, 17.06.2005

Wie viele andere Industrieländer bleibt auch die Schweiz vom Phänomen der überalternden Bevölkerung nicht verschont. Diese Entwicklung stellt unser System der Altersvorsorge auf eine harte Probe. Sie hat aber auch Auswirkungen auf unser Innovationsvermögen, unser Potenzial zur Produktivitätssteigerung und den Erhalt unserer Wettbewerbsfähigkeit in einer globalisierten und demografisch diversifizierten Welt.

Es besteht also dringender Handlungsbedarf. Dreh- und Angelpunkt dieser demografischen Herausforderung ist die Steigerung der Produktivität unserer Wirtschaft sowie unserer Produktionskraft. Folglich ist es umso wichtiger, über einen dem Wachstum förderlichen Rahmen zu verfügen, als unsere Wachstumsfähigkeit, die bereits heute stark unter Druck ist, mit der zunehmenden Überalterung der Bevölkerung geschwächt werden könnte.

Produktivitätssteigerung und Beschleunigung des Konjunkturwachstums sind für den Fortbestand unseres Sozialversicherungssystems unabdingbar. Der Finanzierung der Altersvorsorge liegt ein einfaches volkswirtschaftliches Prinzip zugrunde. Dabei wird ein Teil des Einkommens der Erwerbstätigen auf die ältere Bevölkerung umverteilt, sei es in Form von Rentenzahlungen für die heutigen Bezugsberechtigten oder in Form einer Kapitalisierung für die nächste Generation. Die Überalterung der Gesellschaft führt also zu immer grösseren finanziellen Belastungen, die von der erwerbstätigen Bevölkerung getragen werden müssen. Wenn nun parallel dazu die globale Wertschöpfung nur langsam zunimmt, steigt damit unweigerlich auch die finanzielle Belastung der Altersvorsorge für die Gesellschaft.

Deshalb gilt es nicht nur, die wirtschaftliche Effizienz unseres Landes zu steigern, sondern auch darauf zu achten, dass wir unsere Bemühungen nicht gleichzeitig durch ungeeignete Massnahmen unterwandern. Der allgegenwärtige Wettbewerbsdruck muss uns dazu bringen, unsere Ressourcen bestmöglich einzusetzen, nicht nur in unseren Beziehungen mit dem Ausland, sondern auch im Inland. Das bedeutet, dass wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen effizienter nutzen müssen. Darüber hinaus muss aber auch die Qualität dieser Ressourcen verbessert werden. Dieses Unterfangen ist jedoch weit langwieriger und hängt mit unserem Bildungswesen zusammen. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen spielen hier ebenfalls eine zentrale Rolle. Eine Investitionssteigerung würde nicht nur die Schaffung neuer Arbeitsplätze ermöglichen, sondern vor allem auch den Produktivitätszuwachs beschleunigen - zwei Faktoren, welche das Wachstum und eine bessere Finanzierung der Altersvorsorge begünstigen.

Demografie und Wachstum sind aus folgenden Gründen wichtige Themen für die Nationalbank: Erstens kann eine Zentralbank über die Erträge aus ihren Anlagen hinaus keine Wertschöpfung betreiben. Sie kann folglich nicht zur Finanzierung der Altersvorsorge herangezogen werden. Zweitens hoffen einige Kreise immer, dass die Zentralbank bei ausbleibendem Wirtschaftswachstum die konjunkturelle Lage nachhaltig verbessert. Die Vorstellung, durch monetäre Stimulierung langfristig Arbeitsplätze schaffen zu können, ist jedoch eine Illusion. Langfristig gesehen ist Geldpolitik neutral. Drittens wird die Antwort auf die demografischen Herausforderungen der Zukunft wahrscheinlich Auswirkungen auf den realen Gleichgewichtszinssatz haben, eine variable Grösse, die immer in unsere Lagebeurteilungen einfliesst.