Internationale Geldpolitik 2005

Jean-Pierre Roth, Präsident des Direktoriums

19. Internationales Zinsforum - Zinsen 2005, Frankfurt am Main, 06.12.2004

Auf die globale Konjunkturflaute 2002 reagierten die wichtigen Zentralbanken mit einer Lockerung der Geldpolitik. Die tiefen Geldmarktsätze in den Jahren 2002 und 2003 waren für eine Rezession angemessen. Sie sind aber nicht für einen nachhaltigen und globalen Aufschwung angebracht. Mehrere Zentralbanken begannen 2003 und 2004 deshalb, ihre Geldpolitik zu normalisieren. Das Tempo der geldpolitischen Normalisierung hängt natürlich vom Fortschritt der Konjunkturerholung ab, was zu unterschiedlichen Reaktionen in jedem Land führt.

In diesem eher erfreulichen Umfeld begann 2003 der Erdölpreis kräftig zu steigen. Die Befürchtung, die gravierenden Konsequenzen der letzten Erdölkrisen könnten sich wiederholen, ist jedoch unbegründet. Zum einen trifft die Ölpreiserhöhung auf ein wirtschaftliches Umfeld, das weitaus stabiler ist als damals. Zum anderen treibt ein starkes Wachstum der Weltwirtschaft den Erdölpreis in die Höhe.

Eine Normalisierung der Konjunktur muss durch eine Normalisierung in der Zinspolitik begleitet werden, damit die Preisstabilität gewährleistet bleibt. Die jüngste Erdölpreissteigerung ändert diese Grundeinschätzung nicht. Die Konstellation von abgeschwächter Wachstumsdynamik und hohen Erdölpreisen könnte dagegen die geldpolitische Normalisierung verzögern. Da die Notenbanken dem Ziel der Preisstabilität verpflichtet sind, wird sehr viel von der Übertragung der Ölpreissteigerungen auf die Inflationserwartungen abhängen. In den meisten Industrieländern sind sie vorerst nicht besorgniserregend. Niedrige Inflationserwartungen und flexible geldpolitische Konzepte erlauben es den Währungshütern, ihre Geldpolitik 2005 behutsam anzupassen, sofern ihnen dies aus konjunkturellen Gründen angezeigt erscheint.