Leben in einem bipolaren Währungssystem: die Erfahrung der Schweiz

Jean-Pierre Roth, Präsident des Direktoriums

50-Jahre-Jubiläum der Bank of Israel, Jerusalem, 29.11.2004

Die Einführung des Euro hat das internationale Währungssystem grundlegend verändert. Der Euro ist jetzt eine glaubwürdige Alternative zum Dollar und stellt ein Gegengewicht zur US-Währung dar, das in der Vergangenheit fehlte. Davon profitieren Drittwährungen wie der Schweizer Franken. Früher konzentrierten sich Investoren bei einer Dollarschwäche auf die Deutsche Mark oder – in noch stärkerem Ausmass – auf den Schweizer Franken. Ihr Status als Fluchtwährung während grosser Währungsturbulenzen hatte zur Folge, dass diese beiden Währungen sich weit vom Kurs wegbewegten, den wirtschaftliche Grundprinzipien hätten rechtfertigen können. Wenn heute der Dollar unter Beschuss gerät, müssen Investoren sich nicht mehr überstürzt dem Franken zuwenden. Dennoch könnte der EUR/CHF-Kreuzkurs in solch turbulenten Zeiten unter Aufwärtsdruck geraten und somit unseren geldpolitischen Freiraum einschränken. Europa ist ein ziemlich geschlossener Wirtschaftsraum, wenn auch nicht ganz in dem Grad wie die Vereinigten Staaten. Als solcher kann er die Anpassung viel besser verkraften als eine kleine offene Volkswirtschaft wie die Schweiz. Ausserdem ist nun die Schweiz von einer Währungszone umgeben, die im Wesentlichen dasselbe geldpolitische Ziel verfolgt, nämlich Preisstabilität. Dies trägt zusätzlich zur externen Stabilität des Schweizer Frankens bei. Insgesamt stellt die Schaffung der europäischen Einheitswährung für die Schweiz und andere kleine Länder, die sich nun auf ihre eigenen Bedürfnisse konzentrieren können, eine sehr positive Entwicklung dar. Unsere Erfahrung in den letzten paar Jahren hat deutlich klargemacht, dass die Schweizerische Nationalbank weiterhin einen eigenen Kurs einschlagen und somit eine für unser Land massgeschneiderte Geldpolitik betreiben kann.