Der Wirtschaftsstandort Schweiz und die Nationalbankpolitik

Jean-Pierre Roth, Präsident des Direktoriums

Europa Forum Luzern, Luzern, 27.10.2003

In einem Hochlohnland wie der Schweiz können Unternehmungen ihre Position im internationalen Wettbewerb nur durch eine permanente Innovationstätigkeit behaupten. Der resultierende Strukturwandel hin zu technologieintensiven und immer produktiveren Wirtschaftszweigen ist gleichzeitig Voraussetzung für ein hohes Wirtschaftswachstum. Im internationalen Wachstumsvergleich schneidet die Schweiz aber schlecht ab. Diese Wachstumsschwäche zeigt wirtschaftspolitischen Handlungsbedarf an.

Dieser ist allerdings nicht bei der Geldpolitik zu orten. Ihre Aufgabe besteht primär darin, Preisstabilität zu gewährleisten. Preisstabilität stellt für die Schweiz einen wichtigen Standortvorteil dar. Zudem vermag die Geldpolitik auch einen Beitrag zur Konjunkturstabilisierung und zur Abwehr unerwünschter Wechselkursschocks zu leisten. Sie ist jedoch nicht in der Lage, das Wirtschaftswachstum nachhaltig zu steigern. Das Resultat eines solchen Versuchs wäre bloss eine inflationäre Überhitzung, verbunden mit der Gefahr eines anschliessenden Absturzes der Wirtschaft in eine Rezession.

Nachhaltige Effekte auf das Wirtschaftswachstum können demgegenüber von der Bildungs- und Forschungspolitik, der Ausländerpolitik und der Finanzpolitik ausgehen. Zentral für die Erklärung der schweizerischen Wachstumsschwäche ist aber insbesondere das ausgeprägte Produktivitätsgefälle zwischen dem innovativen Exportsektor und dem in traditionellen Strukturen verharrenden Binnensektor. Der Grund für die Lethargie des Binnensektors besteht in einem dichten Netz von Regulierungen, welche den Wettbewerb einschränken und den technischen Fortschritt hemmen. Folge davon ist ein überhöhtes inländisches Preisniveau, unter dem neben den Konsumenten auch die Exporteure leiden. Wachstumsfördernde Massnahmen müssen deshalb in erster Linie darauf ausgerichtet sein, die Wettbewerbshemmnisse im Binnensektor aufzubrechen.