Zinsen und Wechselkurse als Themen der schweizerischen Geldpolitik

Niklaus Blattner, Mitglied des Direktoriums

Eröffnungssymposium, Finanz-Institut Thurgau FITg, Euregio-Institut für monetäre Ökonomik und Finanzmanagement an der Universität Konstanz, Kreuzlingen, 31.03.2003

Die Stärke des Schweizer Frankens beansprucht Aufmerksamkeit. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) setzt sich mit den damit verbundenen Risiken für die Konjunktur auseinander und nimmt ihren Auftrag pro-aktiv wahr. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung mit den geldpolitischen Ratschlägen, welche ihr immer wieder erteilt werden. Konkret: Was wäre gewonnen, wenn die Schweiz den Franken an den Euro fest anbinden würde? Die Vorteile wären gering, die Nachteile gross. Zwar würde der nominelle Wechselkurs fixiert, und die Volatilität des realen Wechselkurses nähme ab. Trotzdem könnte sich kein Exporteur zurücklehnen und sich mit dem Erreichten zufrieden geben. Wettbewerbsfähigkeit ist nur mittels Innovation und Effizienz zu sichern. Hinzu käme der Verzicht auf eine eigenständige Geldpolitik. Die SNB wäre nicht mehr in der Lage, die Zinssätze zu setzen, die den hiesigen Konjunktur- und Inflationsaussichten entsprechen. Zudem wäre für die Schweiz eine Anbindung des Frankens an den Euro ein gänzlich einseitiger Akt, der keinerlei Mitwirkungsrechte in der Europäischen Zentralbank (EZB) mit sich brächte. Nachdem schliesslich der Unterschied zwischen Franken und Euro weggefallen wäre, würde der Zinsbonus verschwinden. Die Folgen der Anpassung an die heute rund 2%-Punkte höheren Euro-Zinsen wären gravierend.

Die SNB steuert die Liquiditätsversorgung über die kurzfristigen Zinssätze so, dass auf mittlere Sicht weder Inflation noch Deflation auftreten. Die Ausrichtung auf die Preisstabilität bedeutet keine Missachtung der Produktions- und Beschäftigungsentwicklung. Die SNB weiss: Würde sie den Zinssatz zu hoch ansetzen, so würde sie eine Rezession auslösen und Deflation riskieren. Würde sie den Zinssatz zu tief ansetzen und die Wirtschaft mit Liquidität überfluten, so würde der Schweiz eine konjunkturelle Überhitzung und Inflation drohen.

Auf ein «fine-tuning» der Geldpolitik gemäss Produktions- oder Beschäftigungszielen muss die SNB verzichten. Die Geldpolitik ist zwar geeignet, Preisstabilität zu gewährleisten. Zur Erreichung von konkreten Beschäftigungs- und Wachstumszielen taugt sie aber nicht. Trotzdem leistet sie einen unverzichtbaren Beitrag zu den guten Rahmenbedingungen. Preisstabilität, d.h. die Absenz von Inflation ebenso wie Deflation, ist eine wesentliche Voraussetzung für Vollbeschäftigung und Wachstum. Hinzu kommt, dass sie zur Verteilungsgerechtigkeit beiträgt. Liegt hingegen das Wachstum tief, weil sich die Produktivität nur schleppend entwickelt, weil es z. B. an Wettbewerb mangelt; besteht Arbeitslosigkeit, weil der Arbeitsmarkt versagt; oder fehlt es an der Nachfrage, weil die Weltkonjunktur ganz einfach darbt, ist dagegen auch mit der besten Geldpolitik nichts auszurichten.

Die kurzfristigen Zinssätze liegen heute nur noch wenig über null. Ist die SNB am Ende ihres geldpolitischen Lateins angekommen? Nein! Die Geldpolitik beeinflusst die Wirtschaft nicht nur über einen einzigen kurzfristigen Zinssatz. Zusätzlich stehen ihr Käufe von Devisen offen. Sie kann somit einen Rückgang des Wechselkurses anstreben, obwohl der kurzfristige Zinssatz bereits bei null liegt. Durch Interventionen im Devisenmarkt und, im Extremfall, durch Offenmarktoperationen auf den Wertschriftenmärkten kann die Liquiditätsversorgung der schweizerischen Volkswirtschaft weiterhin bedürfnisgerecht gesteuert werden.