Kümmert sich die Nationalbank genug um den Frankenkurs?

Jean-Pierre Roth, Präsident des Direktoriums

Delegiertenversammlung der Fédération des Syndicats Patronaux (Genfer Arbeitgeber), Genf, 16.05.2002

Die Schweiz als offene Volkswirtschaft mit einer internationalen Währung spürt Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten besonders direkt. Das währungspolitische Umfeld unseres Landes hat sich mit der Schaffung des Euro gewandelt. Die Frage, ob die Schweizerische Nationalbank der Wechselkursentwicklung gebührend Beachtung schenke, lässt sich mit dem Hinweis auf das geldpolitische Konzept beantworten: Der Frankenkurs hat darin seinen festen Platz. Er ist zwar nicht das Ziel der Geldpolitik, aber ein wesentliches Element für die Preisentwicklung und die konjunkturellen Aussichten. Die Lageanalysen der Nationalbank und die damit verbundenen Zinsentscheide stützen sich auf diese beiden Grössen.

Mit einer Integration des Frankens in die Eurozone liessen sich Wechselkusschwankungen zwar eliminieren, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz könnte damit aber auch nicht gewährleistet werden. Der Franken darf nicht zum Sündenbock für Wettbewerbsprobleme gestempelt werden, deren Ursachen andernorts – beispielsweise in Wettbewerbshemmnissen im Innern – liegen. Umgekehrt wären die Nachteile einer Wechselkursbindung gross: Die Schweiz würde ihre geldpolitische Eigenständigkeit und ihren Zinsvorteil gegenüber dem Euroraum verlieren.

Die Nationalbank ist mit ihren jüngsten, hauptsächlich aus Wechselkursüberlegungen erfolgten Zinssenkungen gewisse Risiken eingegangen. Sie hält diese Risiken in der heutigen Konjunkturlage für vertretbar, wird die mittelfristige Preisentwicklung aber aufmerksam verfolgen.