Kapitalmarkt Schweiz: Aktuelle Themen

Niklaus Blattner, Mitglied des Direktoriums

Generalversammlung der Pfandbriefbank Schweizerischer Hypothekarinstitute, St. Gallen, 15.05.2002

In einer Momentaufnahme betrachtet, gibt es am Internationalen Finanzentrum Schweiz einschliesslich Kapitalmarkt kaum etwas auszusetzen. Das Bankensystem ist robust. Der Markt für Schweizerfranken-Obligationen hat zwar international an Bedeutung eingebüsst, ist aber nach wie vor attraktiv. Im Gegenzug hat der Geldmarkt an Bedeutung gewonnen. Der Devisenmarkt ist nach wie vor wichtig. Die Schweizer Börse ist technisch vorbildlich und international hervorragend vernetzt. Auch die übrigen Teile der Finanzmarktinfrastruktur, insbesondere der Zahlungsverkehr, haben Modellcharakter.

Analysiert man die Entwicklung des Kapitalmarkts jedoch über die längere Frist, werden auch Schwächen sichtbar. Der Schweizer Franken (CHF) hat als Verschuldungswährung internationaler Anleihen an Gewicht verloren, obgleich der Zinsbonus fortbesteht. Die Schweizer Börse ist trotz ihrer technischen Kompetenz zunehmend harter Konkurrenz ausgesetzt. Und auch in der Schweiz zeigen die Anleger wachsende Vorbehalte gegenüber der Corporate Governance. Zu diesen ebenso wie zu anderen kritischen Befunden lässt sich jedoch immer auch Positives berichten. Die Börse hat Richtlinien zur Transparenz der kotierten Gesellschaften erlassen, welche den durch economiesuisse kürzlich verabschiedeten, umfassenden Swiss Code of Best Practice zur Corporate Governance in einem wichtigen Punkt konkretisieren.

Die Swiss Value Chain, welche die Gesamtheit der vorbildlichen Finanzmarktinfrastrukturen in der Schweiz bezeichnet, zeigt vereinzelt zwar zentrifugale Tendenzen, doch ist davon auszugehen, dass die Verantwortlichen, wenn auch nicht notwendigerweise ausschliesslich im Rahmen der bisherigen Gemeinschaftswerke, sich den Herausforderungen stellen. Belege dafür liegen vor. Die sinkende Bedeutung des CHF als internationale Verschuldungswährung reflektiert weniger spezifische Schwächen des Kapitalmarkts Schweiz als vielmehr eine an sich erfreuliche Normalisierung der Verhältnisse an den ausländischen Kapitalmärkten. Gegen null wird die Rolle des CHF als Denomination internationaler Anleihen schon deshalb nicht konvergieren, weil der CHF weiterhin überdurchschnittlich solid bleiben wird und damit auch der Zinsbonus fortbestehen sollte.

Vor grossen Herausforderungen stehen viele Banken in der Refinanzierung. Zusätzlich zu den bisherigen Instrumenten bieten sich verschiedene Alternativen, sei es in Form eines effizienteren Asset and Liabilities Management, einer verstärkten Sekuritisierung und nicht zuletzt in Form von Vehikeln, welche auch den kleineren Banken den Zugang zum Kapitalmarkt öffnen. Schliesslich ist festzustellen, dass sich die Schweiz ein Scheitern ihres Internationalen Finanzzentrums einschliesslich des Kapitalmarkts nicht leisten kann. Allerdings geht es nicht um Strukturerhaltung, sondern um die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit.

Der Beitrag der Schweizerischen Nationalbank (SNB) besteht primär in der Sicherung der Geldwertstabilität. Sie ist ein zentraler Bestandteil der Rahmenbedingungen, die erfüllt sein müssen, damit eine angemessene Fortentwicklung des Wohlstands in der Schweiz möglich ist. Darüber hinaus trägt die SNB einen Teil der Verantwortung für die Stabilität des Finanzsystems, und sie trägt zu dessen angemessener Fortentwicklung bei.