Die Politik der Schweizerischen Nationalbank im neuen internationalen Umfeld

Jean-Pierre Roth, Vizepräsident des Direktoriums

Université de Fribourg, Séminaire d'économie internationale, Freiburg, 11.04.2000

Die Globalisierung der Finanzmärkte und das Aufkommen einer einheitlichen Währung in Europa stellen bedeutende Herausforderungen für die Politik der Schweizerischen Nationalbank dar. Der freie, grenzüberschreitende Kapitalverkehr ist Realität, der Informationsfluss ist global und die elektronischen Medien ermöglichen eine permanente Arbitrage. In Europa hat die Vereinheitlichung der monetären Landschaft zu einer neuen, einzigartigen Situation geführt, in der die Schweiz im Herzen einer Währungszone liegt, an der sie nicht teilnimmt. Die Märkte sind heute noch mehr als früher in der Lage, durch entsprechende Reaktionen unangebrachte oder unangebracht scheinende Politiken zu bestrafen.

Die Nationalbank begegnet diesen Herausforderungen mit verstärkten Bemühungen um Transparenz, Kohärenz und Kommunikation. In diese Richtung zielen auch die Neuerungen bei der Durchführung der Geldpolitik, die Anfang dieses Jahres eingeführt wurden.

Das Streben nach mehr Transparenz hat uns dazu geführt, das Ziel der Preisstabilität zu quantifizieren und unseren geldpolitischen Kurs durch die Bekanntgabe eines Zielbandes für den 3-Monats-Zins zu verkörpern.

Geldpolitische Massnahmen müssen nicht nur kohärent, sondern auch verständlich sein. Aus diesem Grund veröffentlichen wir regelmässig unsere Einschätzung der wirtschaftlichen und monetären Lage sowie die Folgerungen, die wir daraus für die Geldpolitik ziehen. Damit geben wir der Öffentlichkeit die Mittel, unsere Massnahmen nachzuvollziehen und zu beurteilen. Wir versprechen uns davon einen Effizienzgewinn bei der Führung unserer Politik und eine rationalere Reaktion der Märkte, d.h. eine Stärkung unserer Fähigkeit, die notwendigen Massnahmen zur Erhaltung der Preisstabilität in der Schweiz zu ergreifen.

Trotz diesen Bemühungen wird unser Vorgehen nie vollkommen transparent sein können. Es gibt kein Modell, das automatisch die "richtigen" geldpolitischen Massnahmen anzeigt. Wir versuchen lediglich, einen Rahmen zu schaffen, der eine kohärente Entscheidfindung erleichtert. Es verbleibt aber immer ein Ermessensspielraum, den die monetären Behörden ausfüllen müssen. Ein systematischer Entscheidungsprozess trägt jedoch dazu bei, diesen Ermessensspielraum zu vermindern.

Unsere geldpolitischen Erfahrungen in einem globalen Umfeld sind ermutigend. Trotz vollkommen integrierter Märkte und vollständig freiem Kapitalverkehr schwankt der Franken nicht erratisch. Der Wechselkurs widerspiegelt vielmehr die relative Entwicklung der Fundamentalfaktoren der Schweizer Wirtschaft. Dies gilt insbesondere für den Wechselkurs zwischen Schweizer Franken und Euro. Befürchtungen, dass die Auswirkungen der finanziellen Globalisierung und der europäischen Integration zu einer Lähmung der schweizerischen Geldpolitik führen könnten, haben sich somit nicht bewahrheitet.